Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1882)

Josef Rechberger Ritter von Rechkron, Oberstlieutenant im k. k. Kriegs-Archive: Wien's militärische Bedeutung (Eine historische Studie)

II. Wien’s kriegshistorisclie Vergangenheit. 303 Schon das alte Vindobona der Römer war einer jener Waffen­plätze, die sieh der Donau entlang im Noricum und Pannonien nach Dacien hinunterzogen. Wohl nahm es damals noch einen bescheidenen Platz ein. Aber als Donau-Ubergangspunkt spielte es in den beiden markomannischen Kriegen unter Tiberius Claudius und Marcus Aure­lius eine hervorragende Rolle. Als die Ostmark entstand, eignete sich an dem gewaltigen Donaustrome, der Hauptpulsadcr des südlichen Deutschland, kein Punkt der neuen Grenzlande so sehr zur Hauptstadt als Wien. Weder stromauf- noch abwärts lässt sich ein Übergangspunkt finden, zu wel­chem der Hauptverkehrsweg vom adriatischen Meere zur Nord- und Ostsee weniger Bodenhindernisse zu überwinden hätte. Wie trefflich der Punkt gewählt war, auf welchen Heinrich Jasomirgott die Hauptstadt der Grenzmark verlegte, beweist uns die Geschichte. Nach den niederschmetterndsten Unglücken erstand Wien stets von Neuem mit jugendlicher Kraft. Don zerstörenden Strömungen der Völkerwanderung, den furchtbaren Verwüstungen der Quaden und Gothen, der avarisch-hunnischen Invasion, den Belagerungen und Raubzügen durch Türken und Ungarn, der drohenden Annäherung der Mongolen und Schweden widerstand Wien als St. Severinus Favianis und einiger rugischer Könige Residenz, als des ostgothischen Theodorich’s Grenzstadt Vindobona, als Herrschersitz der Baben­berger und Habsburger, endlich als Grenzfeste des heiligen römisch­deutschen Reiches und zugleich als Bollwerk zum Schutze für deutsche Cultur und Gesittung. In der neueren Zeit war schon Wien’s Verthcidigung gegen Soliman 1529 eine der glänzendsten Kriegsthaten. Wer in Österreich kennt nicht Salm, dessen Standbilder die Ruhmeshalle des k. k. Arsenals und die Elisabethbrücke zieren! Er zwang die türkische Armee zum Abzüge, nachdem deren dritter Theil vor den Mauern der Stadt gefallen war. Und mit vollem Rechte wird von einem Historiographen die Ausdauer der Vertheidiger auf den Ruinen der schon von Anfang unzureichenden Stadtbefestigung als „ein Heroenkampf“, als „eine wahre Uiadc“ ruhmreicher Ileldenthat bezeichnet. Um die Grösse der Leistung zu erfassen, ist ein kurzer Über­blick der damaligen fortiticatorischen Verhältnisse nötliig. Jene Schutzwehren Wien’s, die im Mittelalter unter König Otto­kar zu einem Ganzen vollendet worden waren, bestanden, abgesehen von geringfügigem Umbau oder der Verstärkung einzelner Objecte, noch im Jahre 1529. Zu dieser Zeit hatte die Stadt nur eine Ring­mauer, welche „ein äusserer und innerer Wallgraben“ verstärkte, Uauptthore und nach Aussen vortretende kleine Thürme, rechtwinkelig

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