Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs (1881)
Moriz v. Angeli, Major im k. k. Kriegs Archive: Der Krieg mit der Pforte 1736 bis 1739 - IV. Der Feldzug 1739 und der Friede von Belgrad
IV. Der Feldzug 1739 und der Friede von Belgrad. 473 ungeachtet manch’ heftiger Scene war Neipperg doch nicht in der Lage, sich Zumuthungen zu entziehen, die ihm, wäre er im kaiserlichen Lager geblieben, gar nie hätten gestellt werden können. „Die Türken stellen exorbitante Forderungen und ich bin so gut wie ein Gefangener“, schrieb Neipperg am 28. August insgeheim an Wallis und Succow, und die Situation entsprach nur zu sehr diesen Worten. Anderseits aber ist es höchst befremdend, dass Neipperg aus der mannhaften Vertheidigung Belgrads und den geringen Fortschritten der Belagerung, was ihm beides wohl bekannt war, in gar keiner Weise Anlass nahm, seinen Weigerungen mehr Nachdruck zu verleihen, sondern sich darauf beschränkte, nach schwachem Widerstande doch dem Willen des Grossveziers Folge zu leisten. Während sich die Verhandlungen auf diese Art immer mehr zu Ungunsten des Kaisers verschärften, trat die Situation in eine neue Phase, welche zweifellos dem Ausgange eine besondere Wendung gegeben hätte, würde sich Neipperg vom Anfänge an streng an seine Instruction und die Intentionen des Kaisers gehalten haben. Gleich nach dem ersten Berichte, welchen Feldmarschall Wallis nach der Schlacht bei Grozka nach Wien gesandt hatte, und in dem er den Zustand der Armee, sowie Belgrads in gleich düsteren Farben schilderte, forderte der Kaiser „aus billigem Misstrauen gegen des Grafen von Wallis Betragen“ von den Generalen Styrum, Hildburghausen, Salaburg und Succow Gutachten über die ganz unglaubliche Situation ab, die durch eine einzige Schlacht herbeigeführt sein sollte. Diese Gutachten, welche sowohl hinsichtlich des Zustandes der Armee, als auch bezüglich des Proviantes und der Vertheidigungsfähigkeit Belgrads das gerade Gegentheil von dem enthielten, was Feldmarschall Wallis berichtet hatte, schickte dieser erst am 14. August nach Wien, wo sie am 20. einlangten. Welche Wirkung der Inhalt dieser Gutachten hervorbrachte, lässt sich leicht begreifen. Bisher konnte man in Wien die Lage am Kriegsschauplätze nur nach den Berichten beurtheilen, welche Wallis „von einem Posttage zum andern in nachdrucksamen Terminis und mit dem Anhänge überschrieben, als ob es hierunter nicht auf Tage, sondern auf Stunden anzukommen hätte“. Dies allein waren die Motive, welche den Kaiser bewogen, auch zu den äussersten Zugeständnissen zu schreiten, und nun stellte sich mit einemmal und auf glaubwürdige Weise der Ungrund all’ der Besorgnisse heraus, welche die Berichte Wallis’ wachgerufen hatten. Noch hoffte man die Sache zum Besseren wenden zu können, da von Neipperg noch gar keine Meldung eingelaufen war, und man auch keine Ahnung haben konnte, in welcher Weise derselbe über