Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)

Die Insurrection

876 Die Insurrection in den Sandscliaks. Ordnung unter einheitlichen Befehl, ja nicht einmal immer zu einem Zusammenwirken, zu einer gemeinsamen Action zu bewegen waren. Ein wesentlicher Unterschied von diesem allgemeinen Bilde der Insurrection kann nur hinsichtlich Ost-Bosniens constatirt werden, wo der energische und umsichtige Mufti von Taslidza die Bewegung mit nicht zu verkennendem Geschick leitete. In diesem Theile des Landes tritt der Charakter der Erhebung besonders deutlich hervor. In Brcka stand der Kaimakam Mekemed Cemerlic Beg mit seinem Anträge auf Widerstand gegen die Occupation vereinzelt der compacten Mehrheit der Medschlis gegenüber; in Tuzla herrschte noch während des An­marsches der XX. Infanterie-Truppen-Division relativ Ruhe, und der Widerstand beschränkte sich auf den planlosen Putsch einer unbe­deutenden Bande bei Gracanica. Erst als am 8. August der Mufti mit ungefähr 7000 Arnauten, Baschi-Bozuks und bewaffnetem Landvolke bei Tuzla eintraf, änderte sich die Situation wie mit einem Schlage. Der Mufti usurpirte ohne Weiteres die oberste Gewalt und führte die Insurrection unter dem Drucke eines schonungslosen Terrorismus durch. Mehemed Nureddin Semsikadic ist unstreitig die hervorragendste Erscheinung des bosnischen Aufstandes; strebte er auch einem unerreichbaren Ziele zu, so lässt sich doch nicht leugnen, dass dies mit einem bemerkenswerthen Aufwande von Talent und unbeug­samer Energie geschah. Kaum in Tuzla angelangt, proclamirte er sofort das Scheriat als alleiniges Gesetz und inaugurirte die neuen Verhält­nisse in derselben Art wie in Sarajevo. Sämmtliche Municipalitäten, die Tabaks-Regie, die Miethzinssteuer und die Militärbefreiungs-Taxe wurden aufgehoben und durch sckeriatmässige Einrichtungen ersetzt. Zugleich wurde die allgemeine Kopfsteuer und die türkische Zeit­rechnung (Kalender) eingeführt, das Tragen fränkischer Kleidung, so wie aller Verkehr über die Save mit Oesterreich verboten. Auf Grundlage der vorhandenen Conscriptionslisten erfolgte das allgemeine Aufgebot der Wehrfähigen aller Glaubensbekenntnisse. Wer sich weigerte, wurde ohne Weiteres massakrirt, die Habe des Flüch­tigen zerstört. Nur Mühlenbesitzer und Bäcker waren der allgemeinen Wehrpflicht enthoben, dagegen aber zu Lieferungen für die Insur­rection verpflichtet. Anfänglich wurde nur die Hälfte der muhammedanischen und ein Viertel der christlichen wehrhaften Bevölkerung bewaffnet, ein weiteres Viertel der letzteren aber, mit Schanzzeug versehen, ein­berufen. Ende August war ganz Ost-Bosnien insurgirt; der Mufti ver­fügte bei Doboj über circa 7000 Mann1), während 3—4000 2) an der Save standen. Geschütze und Artilleristen wurden aus Bjelina her­beigezogen. Unterstützt von seinen Brüdern Ibraja und Nazif, sowie einer Anzahl ihm blind ergebener arnautiscker Begs, konnte der Mufti selbst den Versuch machen, die unbotmässigen Elemente, aus denen * *) J) Siehe Beilage 10. *) Siehe Beilage 11.

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