Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)

Die Insurrection

Die Insurrection in den Sandschaks. 873 Dieses an und für sich zusammenhangslose Volksgemenge war noch von Elementen destructivster Art durchsetzt. Ganz abgesehen von einer Masse heimatlos gewordenen, vagabundirenden Gesindels, dem der friedliche Erwerb fremd oder geradezu unmöglich geworden war — eine natürliche Folge der politischen und socialen Wirren, die jahre­lang das Land devastirten — hatte die Pforten-Regierung kurz vor Beginn der Occupation umfangreiche Entlassungen bosnischer Redifs vorgenommen, welche, nun ebenfalls erwerbslos, bereitwillig Jedem folgten, der ihnen mit dem ungebundenen Insurgentenleben, eine dem Volkscharakter ohnehin nahe genug liegende, regellose Existenz in Aussicht stellte. Die revolutionäre Partei verstand es, diese Factoren mit Geschick für ihre Pläne zu benützen. Zahlreiche Emissäre durchzogen das Land, verbreiteten die widersinnigsten Gerüchte über Ziel und Zweck der Occupation und wandten im Vereine mit den, nur ihre materiellen Interessen verfolgenden Begs, Zwang und Gewalt jeder Art an, wo die Vorspiegelungen einer fanatischen Beredsamkeit nicht ausreichten. Entlassene Soldaten und besitzlose Abenteurer bildeten rasch den festen Kern von Insurgentenbanden, das gewaltthätige Element, dessen Pression den ruhig gesinnten sesshaften Theil der Einwohner dem Willen der Agitatoren gefügig machte und den aufreizenden Proclamationen, mit denen das Land überschwemmt wurde, den gehörigen Nachdruck gab. Ungeachtet dessen war anfänglich die Begeisterung für den Wider­stand gering, und die Insurrection erreichte, obwohl man nicht nur die Katholiken, sondern auch Juden und Zigeuner dazu presste, nicht jenen Umfang, den die Revolutionspartei vorausgesetzt hatte und der im Verhältnisse zur Bevölkerungszahl auch hätte erreicht werden können. Der ganze Norden Bosniens blieb während des ersten Stadiums der Occupation vollkommen indifferent; die Begs des Districtes von Kostajnica wurden sogar von der revolutionären Regierung sämmtlich in contumaciam zum Tode verurtheilt, weil sie jede Betheiligung am Kampfe consequent ablehnten. Die Erhebung in Bosnien war denn auch durchaus keine allgemeine oder gleichzeitige und trug keines­wegs den Charakter eines Massen-Aufgebotes, wie solches dort vor­kommt, wo sich das ganze Volk gegen den eindringenden Feind oder eine zugefügte Unbill erhebt. Nur allmälig, erst nachdem die k. k. Truppen die Grenze überschritten hatten und ohne auf Wider­stand zu stossen, meilenweit in das Innere des Landes vorgedrungen waren, consolidate sich die Insurrection unter dem Einflüsse der Parteiführer, die den Ueberfall von Maglaj vortrefflich für ihre Pläne auszunützen verstanden. Bis in’s Unglaubliche vergrössert, ward der­selbe als ein Sieg über ein bedeutendes österreichisches Truppen-Corps dargestellt; Waffen und Ausrüstungsstücke der gefallenen Huszárén wurden als Trophäen und Beweisstücke auch in entfernte Landstriche gebracht. Es ist begreiflich, dass dies nicht ohne Einfluss auf das leicht­gläubige Volk bleiben konnte und die Affaire von Maglaj daher jeden­falls ein höchst bedeutsames Moment für die raschere Consolidirung der Insurrection wurde.

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