Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)

Die Insurrection

864 Die Ereignisse in Sarajevo und Mostar im August 1878. Occupation concentrirt wurde, so war dies nur eine logische Folge des raschen Verlaufes der Ereignisse, welcher den Leitern der Bewe­gung keine Zeit liess, jene Pläne zur Ausführung zu bringen, für deren Vorhandensein alle Massnahmen während der ersten Periode der Revolution in unwiderlegbarer Weise sprechen. Als die legale Regierung in Sarajevo gestürzt war, hielt die führende Partei mit ihren Absichten nicht länger zurück. Anfänglich schwankte allerdings das Actions-Comité unsicher zwischen den zu tref­fenden Massregeln; als aber am 3. August der Mufti von Taslidza in Begleitung von ungefähr 70 seiner vertrautesten Genossen von Plevlje in Sarajevo ankam, nahmen die Dinge alsbald eine feste Gestalt an und legte sich rasch eine energische Hand an die Reformirung aller Verhältnisse. Die bestehenden Gesetze wurden für aufgehoben erklärt und mittelst Proclamation verkündigt, dass das Land nunmehr nur nach dem Scheriat (dem muhammedanischen Religionsgesetze) regiert werden würde. Die Gefängnisse wurden geöffnet, die Sträflinge den Insurgentenbanden angeschlossen und an Stelle der bisherigen Juris­diction jene uralte barbarische Rechtspflege wieder eingeführt, welche Freiheitsstrafen überhaupt ausschloss und jeden Mord mit dem augen­blicklichen Tode, jeden Diebstahl mit dem Verluste einer Hand etc. bestrafte. In gleicher Weise war auch das sociale Leben Gegen­stand der eingreifendsten Reformen in reactionärem Sinne. Bei Todes­strafe durfte Niemand, mit alleiniger Ausnahme der fremden Consulen, europäische Kleider tragen. Beamte, Officiere, überhaupt alle öffent­lichen Würdenträger mussten sich das Haupt glatt rasiren, und Jeder­mann ohne Rücksicht auf Stand oder Religion sich ausschliesslich nur der nationalen Kleidung bedienen. Den Frauen wurde verboten, den „Constantinople!* Ferredschah“, Sonnenschirme oder europäische Fuss- bekleidung zu tragen; sie mussten sich verschleiern und entsprechend der alten Landessitte kleiden. Um dem Volke zu zeigen, dass es der Regierung ernst sei mit der Rückkehr zu längst vergessenen Zuständen, wurden ein Muham­medaner und ein Christ öffentlich mit der Bastonnade bestraft. Wie nicht anders zu erwarten, wendete sich der Fanatismus vorherrschend gegen die in der Stadt-befindlichen Fremden, insbe­sondere gegen die Oesterreicher, welche insgesammt gezwungen wurden, entweder auszuwandern oder sich in ihren Häusern eingeschlossen zu halten. Zu Zwecken der Insurrection wurde zu „freiwilligen“ Geld­spenden aufgefordert, denen sich Niemand ohne Gefahr entziehen durfte, und das Actions-Comité verstand es, diese Spenden unter den verschiedensten Formen in Contributionen zu verwandeln, sobald die patriotische Opferwilligkeit sich nicht ergiebig genug erwies. Unter irgend einem Vorwände wurden jedem Besitzenden grosse Summen abgepresst; von Fazli Pascha, dem Stellvertreter Hafiz Pascha’s, for­derte man 800.000 Piaster; ein christlicher Kaufmann wurde wegen Lauheit in der Agitation unter seinen Glaubensgenossen mit 15.000 Piaster bestraft, und den Juden, welche ihr Glaube vom Kriegshandwerke

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