Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)

Einleitung

Topographische Skizze. 55 Befanden diese sich sonach auch in einem ziemlich herabge­kommenen und demoralisirten Zustande, so darf deren Schlagfähigkeit, namentlich in der Verteidigung, nicht unterschätzt werden. Meist sind es religiöser Fanatismus und die Gewohnheit des Gehorsams, die in türkischen Heeren die Disciplin und mit ihr den wichtigsten Moment der Gefechtstüchtigkeit sichern. Grosse Genügsamkeit und Ausdauer im Er­tragen von Entbehrungen und Anstrengungen zählen seit Jahren zu den hervorragendsten militärischen Tugenden des türkischen Soldaten. Militärische Würdigung. Der Kern des Vilajets Bosna liegt als ein mächtiges, nach Norden vorgeschobenes Bollwerk jenem strategischen Defilé vor, das durch die Felsen- und Waldgebirge an Montenegro’s und Serbiens Grenzen gebildet, den Zugang zum altberühmten Amselfelde vermittelt. Wer dieses, und mit ihm jenen Centralknoten von Tiefenlinien an den Quellen des weissen Drin, der beiden Morava, des Vardar, der Struma und Maritza besitzt, ist militärisch und handelspolitisch Herr der Bewegung nach allen Landestheilen und Meeren des Westens der Halbinsel. Dies der prägnanteste Ausdruck für die Wichtigkeit Bosniens, wohl aber auch für den innigen geographischen, politischen und strate­gischen Zusammenhang, in welchem anerkannterweise das sei’bische und montenegrinische, hier nicht weiter in Betracht zu ziehende Operations-Gebiet mit dem bosnischen Schauplatze stehen. Erhöhte Wichtigkeit besitzt dieser für Oesterreich, da er die Verteidigung eines Theiles seiner südlichen Provinzen in der nach­teiligsten Weise beeinflusst. Einem Keile gleich in österreichisches Gebiet hineingetrieben, von diesem mit einer 800km langen Grenzlinie umspannt, trennt Bosnien die Save-Länder von Dalmatien. Letzteres, jeden Hinterlandes entbehrend, wird so zum verwundbarsten Flecke der österreichischen Monarchie. Nur auf die Verbindung zur See angewiesen, kann Dalmatien gegen eine überlegene Seemacht kaum mit Aussicht auf Erfolg verteidigt werden. Bosnien, dieses schwach bevölkerte, schlecht cultivirte, seit Jahr­hunderten durch Barbarei niedergedrückte und oft verwüstete Gebirgs- land, muss jeder von der Adria oder Save ausgehenden militärischen Operation die grössten Hindernisse bereiten. Der das Land in zwei Operationsfelder scheidende Hauptkamm der Dinara erlaubt den von Norden und Süd-Westen in das Innere eindringenden Colonnen erst beim weiteren Vorrücken gegenseitig in Verbindung zu treten. Beschaffenheit und Richtung der Gebirgsrücken beschränken besonders im eigentlichen Bosnien die Operationen zumeist auf die Flussthäler. Liegt doch zwischen den grösseren Wasserläufen ein wahres Labyrinth von Bergen und Schluchten, welches den Vertheidigern des Landes nach jeder Niederlage immer einen Ausweg und eine fast unzugängliche Zufluchtsstätte gewährt, dem Angreifer aber nach

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