Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)

Einleitung

32 Vorgeschichte. 5. „Die Consulen und Vertreter der Mächte würden die Durch­führung der Reformen im Allgemeinen und die Rückkehr der Flücht­linge im Besondern überwachen.“ „Wenn der dringende und wohlgemeinte Wunsch der Mächte zu Gunsten des Waffenstillstandes eine Verständigung in diesem Sinne, die Rückkehr der Flüchtlinge und die Wahl einer gemischten Commission im Gefolge haben sollte, so würde ein wesentlicher Schritt zur Beruhigung der aufständischen Provinzen geschehen sein.“ „Sollte aber die Frist des Waffenstillstandes verlaufen, ohne dass ein solches Ergebniss erzielt worden wäre, so würden die drei kaiser­lichen Höfe nach gemeinsamer Verständigung ihrem diplomatischen Vorgehen wirksamere Massregeln hinzuzufügen haben, wie sie im Interesse des Allgemeinen und zur Vermeidung des Weitergreifens der Empörung geboten erscheinen.“ Frankreich und Italien schlossen sich ohne Zögern den Schritten der drei Nordmächte an. Dagegen verweigerte England entschieden die Unterstützung des Berliner Memorandums in Constantinopel, indem es Einwendungen gegen mehrere Stellen desselben — namentlich be­züglich des Waffenstillstandes — erhob, schliesslich jedoch die Er­klärung ab gab, weder den Vereinbarungen der Mächte in irgend einer Weise entgegenzuarbeiten, noch den Widerstand der Türkei zu er- muthigen. Auch die Pforte trug ernste Bedenken gegen die Annahme der Berliner Abmachungen. Bevor noch die von den Botschaftern in Constantinopel auf Grund des Berliner Memorandums vereinbarte identische Note über­geben worden war, erfolgte die Absetzung des Sultans Abdul Aziz und die Thronbesteigung des Prinzen Murad (30. Mai 1876). Dieses Ereigniss bestimmte nun die Mächte, die formelle Uebergabe der Denkschrift auf unbegrenzte Zeit zu vertagen, um dem neuen Sultan Murad V. Zeit zu lassen, seine Stellung zu erwägen und zu ent­scheiden, was nach der Meinung seiner Rathgeber der beste Ausweg sei, aus den Schwierigkeiten herauszukommen und eine für Europa befriedigende Lage der Dinge herbeizuführen. Bald nach dem Thronwechsel gewährte der neue Grossherr seinen sämmtlichen Unterthanen in Bosnien und der Hercegovina eine allgemeine Amnestie, wenn sie sich unterwerfen und ihre Be­schwerden bei den türkischen Behörden Vorbringen wollen und liess zu diesem Behufe einen sechs wöchentlichen Waffenstillstand eintreten unter Vorbehalt der Bewegungen, welche nothwendig sind, die Trup- pen-Concentration aufrecht zu erhalten und die Festung Niksic zu verproviantiren. Diese Anträge wiesen die Insurgenten jedoch mit Hohn zurück. Serbien hatte inzwischen entschieden eine Actions-Politik verfolgt und den Kampf mit der Türkei beschlossen. Gegen Ende Mai stand das gewaltsame Eintreten des Fürstenthums in kriegerische Thätig- keit ausser Zweifel. Der Minister Ristic äusserte, der Krieg könnte nur noch durch Ueberlassung der Verwaltung Bosniens an Serbien gegen Entrichtung eines Tributs beschworen werden. In Constanti-

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