Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)
Einleitung
Vorgeschichte. 29 Führern in der Sutorina statt. Letztere übergaben dem Statthalter von Dalmatien ein ausführliches Schriftstück, welches eine Reihe von Wünschen behufs Durchführung der Reformen einschloss. Die blutigen Zusammenstösse, welche Anfangs April 1876 zwischen den türkischen Truppen und den Aufständischen stattfanden, erschwerten indessen die guten Dienste derjenigen, welche in beschwichtigendem Sinne auf die Insurrection einzuwirken trachteten, und fügten den bereits geltend gemachten Gründen für das Misstrauen in die verheissenen Reformen und Concessionen neue hinzu. Der zwischen FZM. von Rodic und Mukhtar Pascha vom 28. März bis 10. April vereinbarte Waffenstillstand konnte nicht zur Ausführung gelangen. In diesen schwierigen Verhältnissen zeigte sich der Beistand, welchen Europa der Türkei geliehen hatte, nochmals wirksam. Obgleich die Kriegsgelüste Serbiens und Montenegro’s bedeutend abgekühlt und von Seite ihrer Regierungen bündige Zusicherungen ertheilt worden waren, die Türkei weder anzugreifen noch die Pacifications-Bestrebungen der Mächte zu erschweren, so schwankte doch bei der Wiederaufnahme der Feindseligkeiten in Bosnien und der Hercegovina Ende April die Pforte bezüglich des Krieges gegen Montenegro; die Kriegspartei gewann im Cabinet täglich an Boden, Egypten wurde um Hülfstruppen angegangen und in Constantinopel herrschte grosse Aufregung und Unruhe. Alle Vertreter der Grossmächte aber ertheilten der Pforte den Rath, nichts gegen Montenegro zu unternehmen, indem sie ihre Bemühungen zur Friedensstiftung fortzusetzen versprachen. Inzwischen hatten sich erschütternde Ereignisse zugetragen. In Bulgarien war ein Aufstand ausgebrochen und durch Niedermetzelung der Christen unterdrückt worden; in Salonich fielen die Consulen Deutschlands und Frankreichs unter den Streichen eines fanatischen Pöbels; in Smyrna und Constantinopel entstanden Volksbewegungen, die für die Christen das Schlimmste befürchten Hessen, und in Belgrad kam ein Cabinet Ristic an das Ruder, welches man kriegerischer Anwandlungen zieh; europäische Kriegsschiffe befanden sich auf dem Wege nach der Levante zum Schutze der betreffenden Staatsangehörigen. Unter solchen Vorbedeutungen erfolgte die Zusammenkunft der leitenden Staatsmänner Oesterreich - Ungarns, Deutschlands und Russlands im zweiten Drittel des Monats Mai in Berlin. Bei diesen Begegnungen wurden die Anschauungen der Mächte in einem Memoire (als Berliner Memorandum bekannt) niedergelegt, das in der Absicht, die übrigen Mächte für die gemeinsame Politik der drei Kaisermächte heranzuziehen, deren Vertretern mitgetheilt wurde. Die Staatsschrift lautet: „Die beunruhigenden Nachrichten, welche aus der Türkei ein- laufen, sind der Art, um die Cabinete zu veranlassen, ihr Einvernehmen noch fester zu knüpfen. Die drei kaiserlichen Höfe erachten sich für berufen, nach gemeinsamem Ueb er einkomme n unter der Mithülfe der übrigen christlichen Mächte den Gefahren, welche diese politische Lage im Gefolge haben könnte, zu steuern. Nach der Meinung der drei