Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)
Einleitung
20 Vorgeschichte. Wünsche der aufständischen Bevölkerung machen. Die Mächte behielten sich lediglich vor, bei der türkischen Regierung jene Forderungen der Insurgenten zu unterstützen, deren Berechtigung anerkannt werden würde.“ „Dieses auf Versöhnung hinzielende Verfahren der Cabinete bezeugte zur Genüge die freundschaftliche Absicht, welche bei dem Anerbieten ihrer guten Dienste vorgewaltet hatte. Es bekundete, dass in ihren Augen eine vollständige Solidarität der Interessen Europas, der Pforte und der aufständischen Bevölkerungen vorhanden war, dem verderblichen und blutigen Streit ein Ziel zu setzen und die Wiederkehr desselben durch ernste Reformen zu verhüten, sowie durch wirksame Verbesserungen, welche geeignet erscheinen würden, die wirklichen Bedürfnisse des Landes mit den berechtigten Forderungen der Autorität zu versöhnen.“ „Dies ist in wenigen Worten der geschichtliche Verlauf des seit dem Beginne des Aufstandes von den Mächten eingehaltenen Vorgehens. Die Mächte sind bis zu dem heutigen Tage vornehmlich von dem Wunsche geleitet worden, Alles zu vermeiden, was als eine vorzeitige Einmischung Europa’s hätte gedeutet werden können. In diesem Ideengange haben sich die Mächte darauf beschränkt, der Regierung des Sultans den Rath zu geben, sich nicht blos an militärische Mass- regeln zu halten, sondern sich zu bemühen, das Uebel durch moralische Mittel zu bekämpfen, welche künftigen Ruhestörungen vorzubeugen bestimmt sind.“ „Die Cabinete waren, indem sie so handelten, von dem Gesichtspunkte geleitet, der Pforte die moralische Unterstützung, deren sie bedurfte, und überdies die Zeit zur Beruhigung der Gemüther zu gewähren, indem sie sich der Hoffnung hingaben, dass jede Gefahr einer nachträglichen Verwicklung in dieser Weise ausgeschlossen worden sei. Leider haben sich ihre Hoffnungen nicht verwirklicht. Einerseits scheinen die von der Pforte veröffentlichten Reformen weder auf die Beschwichtigung der Bevölkerung der aufständischen Provinzen hinzuzielen, noch genügend zu sein, zur Erreichung dieses wesentlichen Zieles; andererseits ist es den türkischen Waffen nicht gelungen, den Aufstand zu beendigen.“ „Unter solchen Verhältnissen ist — glauben wir — der Augenblick für die Mächte gekommen, sich über ein gemeinsames Vorgehen zu einigen, um zu verhindern, dass eine längere Fortdauer der Bewegung schliesslich zu einer Gefährdung des europäischen Friedens führe. Gleich den übrigen Mächten haben wir den wohlwollenden Absichten, welche die jüngsten Manifeste des Sultans hervorgerufen haben, unsern Beifall gezollt. Das Iradé vom 2. October und der Ferman vom 12. December enthalten eine Reihe von Grundsätzen, welche die Organisation des türkischen Reiches zu reformiren bestimmt sind. Man darf annehmen, dass diese Grundsätze, wenn sie in weise entworfene Gesetzesbestimmungen übertragen werden, und vor Allem, wenn ihre praktische Handhabung den erleuchteten Gesichtspunkten entspricht, die sie hervorgerufen haben, thatsächliche Verbesserungen in der tür-