Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)

Einleitung

Vorgeschichte. IT auf die Sicherheit der Nachbarstaaten zurückwirken und so zu Ver­wicklungen von unberechenbarer Tragweite den Anstoss geben *). Die türkische Regierung nahm nach einigem Widerstreben, da sie in der Delegirung der Consulen eine unverkennbar dem Pariser Frieden zuwiderlaufende Einmengung in die inneren Reichsangelegen­heiten erblickte, endlich doch die Vorschläge der drei Mächte definitiv und unverändert an und sandte im letzten Drittel des Monates August 1875 den Staatsraths-Präsidenten Server Pascha als Specialcommissär nach den aufständischen Landestheilen. Die demselben mitgegebenen Instructionen lauteten: Er habe sofort bei seiner Ankunft in Mostar eine Proclamation zu erlassen, welche die Zusicherung ertheilt, dass in Hinkunft keine Acte der Unterdrückung und Ungesetzlichkeit im Namen der Regierung geduldet werden sollen. Alle Beamten, welche der Unterdrückung der Bewohner schuldig befunden werden, seien zu entlassen und zu bestrafen. Er solle sodann ein besonderes Tribunal einsetzen, um die Aussagen derjenigen, welche die Opfer willkürlicher Behandlung gewesen sind, zu prüfen. Ausserdem solle er die ohne genügende Ursache Verbannten zurückrufen und schliesslich die Agitatoren ver­treiben und alle nöthigen Schritte thun, um seine Instructionen in Aus­führung zu bringen. Einige Tage nach seiner Ankunft in Mostar erliess Server Pascha (7. September) eine Proclamation an die Bevölkerung der Herce­govina, in welcher er die Aufständischen aufforderte, in ihre Heimat zurückzukehren und ihm ihre Klagen vorzubringen. Im Anfänge des Monates August proclamirte ferner der Sultan zwanglos und aus freien Stücken ein Iradé, welches seinen christlichen Unterthanen bedeutende Steuererleichterungen, Gleichberechtigung mit den Muselmanen vor Gericht und bessere Organisation der Verwaltung gewährte. Inzwischen hatten auch die Consular-Delegirten ihr Pacifications- werk damit begonnen, dass sie, in mehrere Gruppen getheilt, an ver­schiedenen Punkten der Hercegovina eine Art Enquete veranstalteten. Die Insurgenten verlangten von den Consulen einen Waffenstillstand, damit ihre verschiedenen Bandenchefs sich versammeln und über die Beschwerdeschrift und die dem ottomanischen Commissär zu unter­breitenden Reformwünsche berathen könnten. Nach Bewilligung der Waffenruhe würden die Führer der Aufständischen mit Server Pascha und den Consulen an irgend einem Punkte der österreichischen oder montenegrinischen Grenze Zusammentreffen und ihre Wünsche darlegen. Auf eine Unterhandlung auf türkischem Gebiete mit dem Pforten- Commissär allein Hessen sie sich unter keiner Bedingung ein, da sie den Fanatismus der Moslem fürchteten und kein Vertrauen in die Ver- heissungen der Pforte hatten. Ihr Anliegen bestand in der Gerichts­und Verwaltungsreform, d. i. in der Zulassung der Christen zur Zeugenschaft vor den Gerichten, in der Wahl der Polizeibehörden aus den Einwohnern der Provinz, in der Begrenzung der fixen Be­*) Depeschen des Grafen Andrássy an Graf Zichy in Constantinopel und Freiherr v. Seiller in Berlin, ddo. 7. August 1875. Österr. militär. Zeitschrift 1879. (Mittheilungen des Kriegs-Archivs.) 2

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