Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs - Die Occupation Bosniens und der Herzegovina (1879)
Einleitung
12 Vorgeschichte. in so naher Beziehung, dass sich Niemand über deren Bedeutung und Tragweite täuschte. In der That blieb auch dieses unter Nachwehen des orientalischen Krieges in die Welt gesetzte Document bis auf unsere Tage ein Stück beschriebenen Papieres. Um es in die Wirklichkeit übertragen zu sehen, griffen nicht allein die Christen der Hercegovina und Bosniens, sowie die suzeränen Staaten der Pforte, Serbien und Montenegro, sondern auch Russland zu den Waffen, gab Europa in Berlin Oesterreich das Mandat zur Besetzung Bosniens und der Hercegovina, und bewegte sich überhaupt die ganze Action der europäischen Diplomatie von 1856 bis 1878. Nach wie vor der Veröffentlichung des Hatt-i-Humayum von 1856, blieb die Steuerlast auf den Christen haften. Die besten Intentionen der türkischen Regierung erwiesen sich wirkungslos gegen eine Bureau- kratie, die in den Provinzen die erhaltenen Befehle nicht ausführte, sondern, um sich zu bereichern, gemeinsame Sache mit den Feudalherren oder Begs gegen die Rajah machte. Da alle Vorstellungen bei den Behörden kein Gehör fanden, und der directe Weg zum Sultan abgeschnitten war, so griffen, durch Noth und Grausamkeit zur Verzweiflung geti'ieben, im November 1857 die Hercegoviner zu den Waffen und fanden an Montenegro Unterstützung. Die ki’iegerischen Vorgänge an den Grenzen konnten der k. k. Regierung nicht gleichgültig bleiben, und sie ertheilte sofort dem Internuntius in Constantinopel die Weisung, entsprechende Schritte zur raschen Beruhigung der aufständischen Districte bei der Pforte zu thun. Gleichzeitig wurden die Garnisonen in Dalmatien verstärkt, eine Escadre in die dalmatinischen Gewässer entsendet, die schärfste Ueber- wachung der Grenze, die Entwaffnung übertretender Flüchtlinge, sowie deren Internirung angeordnet, die Ausfuhr von Kriegsbedarf verboten etc. Die durch Vermittlung Oesteri-eichs zu Mostar und Constantinopel eröffneten Untei’handlungen hatten das Ergebniss, dass die Führer der Insurrection im Juli 1858 ihre Unterwerfung anboten und in Ragusa die internationale technische Grenzregulirungs-Commission zusammentrat, deren Arbeiten das Substi’at für die weiteren Verhandlungen der Gesandten liefern sollten. Zwischen letzteren konnte indessen keine Einigung erzielt werden, indem Russland und Franki-eich die Partei für Montenegro ei'griffen und auf Abtretung des Hafens von Spica an das Fürstenthum bestanden, während Oesterreich und England dagegen Einspi’ache erhoben und schliesslich auch reussirten. Bei Ausbruch des Krieges von 1859 flüchtete sich demzufolge Montenegro in das Lager Fi’ankreichs; das Fürstenthum rüstete aus allen Kräften und war bereit, dem verabredeten Ki’iegsplan gemäss in Verbindung mit der bei Antivari vor Anker gelegenen französischen Flotte einen Angriff auf die Bocche di Cattaro zu unternehmen. Im December 1860 brach ein neuer Aufstand in der Hercegovina aus, welchem Montenegro sich anschloss. Erst nach zweijährigem wechselvollen, unter den grössten Anstrengungen der Pforte geführten Kampfe konnte Omer Pascha am 8. September 1862 den Frieden dictiren.