Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs 2. (1877)
Betrachtungen über die Schlacht bei Solferino
Betrachtungen über die Schlacht bei Solferino. 39 gegen die feindliche Hauptmacht beabsichtigten Hauptschlage alle irgend verfügbaren Truppen aufzubieten. Zu diesem Behufe wurde die zunächststehende Brigade Reichlin aus dem Etschthale und vom Monte Baldo zu den Operationen der Haupt-Armee herangezogen, und dem Resttheil des 6. Armee-Corps in Südtirol die Weisung ertheilt, über Storo und Rocca d’Anfo mit dem rechten Flügel des Heeres jenseits des Chiese in Verbindung zu treten, um die linke Flanke des Feindes über Brescia zu bedrohen. In dieser Richtung konnte es mehr wirken als durch das problematische Auftreten am Kampfplätze. Was das 10. Armee-Corps am unteren Po betrifft, so erhielt die bei Nogara lagernde Division Ritter den Befehl, am 24. Juni nach Mantua zu rücken; am 25. sollte sie bei Castel Goffredo stehen und am 26. bei der in Aussicht genommenen Hauptentscheidung am Chiese mitwirken. Von den übrigen Abtheilungen des 10. Armee- Corps blieb die Brigade Anthoine zur Bewachung des Po von Libiola bis zur Mincio-Mündung gegenüber dem im Modenesischen operirenden französischen Corps (Prinz Napoleon) und der Toscanischen Division Ulloa, die Brigade Maroicic aber bei Adria zurück, um die mit Landungstruppen an Bord vor den Po-Mündungen kreuzende franzö- sisch-sardinische Flotte zu beobachten. Günstigsten Falls hätte mithin vom 10. Armee-Corps ausser der an den Chiese in Bewegung gesetzten Division Ritter noch die Brigade Anthoine zu der Vorrückung über den Mincio befohlen werden können. Die Brigade Maroicic bei Adria, gegen 129km oder 18 Meilen vom Mincio entfernt und mit einer selbständigen Aufgabe betraut, lag ausserhalb des Operations- Bereiches der Hauptmacht und war füglich zu der Hauptentscheidung an dem Chiese rechtzeitig nicht heranzuziehen. Dem 2. Armee-Corps endlich wurde durch den Befehl vom 24. Juni, über Redondesco, Mariana und Casaloldo gegen Castel Goffredo vorzugehen, eine concen- trische Stossrichtung gegeben. Der thatsächliche Vormarsch des Corps bis Redondesco erfüllte schon seinen Zweck, indem durch diese Bewegung die Hälfte oder 15.000 Mann des dritten französischen Corps (Canrobert) festgehalten und verhindert wurden, an den Kämpfen gegen die I. k. k. Armee bei Cä Nuova, Rebecco und Baite sich zu betheiligen. Der Ein wand wegen Zweitheilung des Heeres, die vielleicht in Folge der daraus entstandenen Complication des Dienstbetriebes ihre Unzukömmlichkeiten gehabt haben mag, ist durch die jüngsten Blätter der Kriegsgeschichte völlig belanglos geworden. Haben die Preussen doch mit ähnlicher Eintheilung ihrer Streitmassen die Siege von Gravelotte und Sedan erfochten. Für die fernere Behauptung, die mit der Marsch-Disposition vom 22. Juni verbundenen strategischen Absichten hätten auf der Hoffnung