Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs 2. (1877)

Beiträge zur vaterländischen Geschichte. I. Major Moriz Edlen v. Angeli: Der Friede von Vasvár. Nach den Original-Acten der k. k. Archive

34 Beiträge zur vaterländischen Geschichte. — dass die Grenzen nicht genau bestimmt, und der Tribut Sieben­bürgens weder aufgehoben noch herabgemindert wurde, und dass endlich doch grössere Eroberungen möglich gewesen wären. Demgegenüber lässt sich jedoch anführen, dass zweifelsohne der Grossvezier es war, der die Friedensbedingungen formulirte, wie denn auch die Friedensanträge schliesslich von ihm ausgiengen. Es wurde aber auch zur Genüge erwiesen, dass diese Bedingungen durch die Beharrlichkeit Reninger’s so sehr modificirt wurden, bis von ihrer ursprünglichen Fassung so zu sagen nichts mehr übrig blieb. Ein Vergleich der türkischen Sommation mit den Friedensartikeln, wider­legt schlagend jede derartige Beschuldigung. Die Gründe, welche den Kaiser bestimmten, ohne Zuziehung, weder der ungarischen noch der deutschen Stände, sondern unter grösster Geheimhaltung direct mit dem Gegner zu verhandeln, dürften aus allem bisher hierüber Angeführten mit vollkommener Klarheit hervorgehen. Es ist auch kaum anzunehmen, dass der Grossvezier geneigt gewesen sein sollte, an der Spitze eines achtunggebietenden Heeres und in einer strategisch durchaus nicht ungünstigen Situation, die jedenfalls sehr langwierigen Verhandlungen mit den Ständen abzu­warten, deren Resultate er überdies unmöglich hätte acceptiren können. Territoriale Vergrösserung oder Restitution vom Gegner eroberter Plätze kann nur, gestüzt auf entsprechende strategische Erfolge, gefordert werden. Die kaiserliche Armee konnte aber deren kaum mehr auf­weisen, als ihr Gegner; es lag daher für die Türken ebensowenig eine Nöthigung vor, Neuhäusel und Grosswardein zurückzugeben, als für den Kaiser, das erst im Laufe des letzten Feldzuges eroberte Neutra und Levencz wieder ab zutreten. Als Grundlage des Friedens wurde eben still­schweigend der factische Besitzstand angenommen, dem durch die Fassung des Artikels IX noch eine besondere Dehnbarkeit gegeben wurde. Gegenüber der herben Beurtheilung, welche der Verlust Neu­häusels erfuhr, werden die bedeutenden Zugeständnisse im Artikel III nicht gebührend gewürdigt. Mag dies vielleicht auch bei den gleich­zeitigen Chronisten entschuldbar sein, — die spätere Geschichtschreibung hätte doch des bemerkenswerthen Factums nicht vergessen dürfen, dass es nach dem entscheidenden Siege bei Zenta, welcher die Pforte an den Rand des Verderbens brachte, weder dem Kaiser noch den vermittelnden Mächten gelang, den besiegten Gegner dahin zu ver­mögen, auch nur in die Wiederherstellung bereits bestehender, ge­schweige denn in die Anlage neuer Grenzfestungen zu willigen. Ob endlich die Festung Neuhäusel in anderem Sinne, als Behufs schärferer Hervorhebung der „Schwäche und Kurzsichtigkeit des kaiser­lichen Cabinetes“, der Schlüssel Ungarns genannt werden kann, ins­besondere so lange das, die Donau beherrschende Komorn in den Händen des Kaisers war, möge vorurtheilsfreier Beurtheilung überlassen bleiben.

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