Mittheilungen des k.k. Kriegs-Archivs 2. (1877)
Beiträge zur vaterländischen Geschichte. II. Major Moriz Edlen von Angeli: Die kaiserliche Armee unter dem Ober-Commando des Markgrafen Ludwig von Baden in den Feldzügen 1689-92 gegen die Türken - B. Der Feldzug 1690 in Serbien und Siebenbürgen
Der Feldzug 1690 in Serbien und Siebenbürgen. 221 Es ist begreiflich, dass dieser Widerstreit der Meinungen nicht nur von nachtheiligem Einflüsse auf den Entwurf des Feldzugsplanes sein, sondern auch eine gewisse Verbitterung in den massgebenden Kreisen hervorrufen musste. Die Worte, mit welchen der Markgraf von Baden am 6. Februar 1690 ein im Aufträge des Kaisers verfasstes Memoire über die Operationen des nächsten Feldzuges einleitete, legen hievon Zeugniss ab: „Und wenn selber (der Operations- Vorschlag)“ — schreibt der Markgraf — „vielleicht nicht aller Orten gefällig oder angenehm sein mag, so kann doch Euer kaiserlichen Majestät versichern, dass aus allerunterthänigst schuldigem Eifer nichts verhalte, was zu Dero Dienst erachte *).“ Das Memoire umfasste, dem kaiserlichen Befehle zu Folge, sowohl die offensive als defensive Führung des Feldzuges, wie auch die Grundlagen eines eventuellen Friedensschlusses 5 es gibt nicht nur ein klares, übersichtliches Bild der Situation, sondern zeugt auch von dem gereiften Urtheile des Feldherrn und Politikers.' In eindringlicher, kerniger Sprache wird darin nachgewiesen, wie sehr man sich über die Widerstandsfähigkeit der Türkei täusche, wenn man annehme, dieselbe sei bereits bis zur völligen Wehrlosigkeit herabgesunken. Der Markgraf erinnerte daran, dass die Pforte, als die Operationslinie ihrer Heere Jahre lang vom Hämus bis an die Grenzen Österreichs reichte, doch niemals in Verlegenheit war, starke Armeen aufzubringen und zu unterhalten, — sie daher jetzt, wo sie gleichsam mit dem Rücken an die Thür des eigenen Hauses gelehnt kämpfe, ihren Hilfsquellen auch umso näher sei und in dem religiösen Fanatismus der Bevölkerung eine kräftige Stütze finde. In ganz verschiedener Weise aber habe der Gang des Krieges die Verhältnisse des kaiserlichen Heeres beeinflusst. Kämpfte dieses schon vom Anfänge an mit endlosen Subsistenzschwierigkeiten, so müsse nun, wo nur eine einzige Operationslinie es mit dem weitentlegenen Hinterlande verbinde, seine Erhaltung und Operations-Fähigkeit umso gerechteren Zweifeln unterliegen, als die Möglichkeit einer Neu- basirung während des Vormarsches nicht minder fraglich erscheine, als die directe Verbindung mit der Haupt-Operationsbasis selbst. Die früheren Feldzüge lieferten den schlagendsten Beweis für die Richtigkeit dieser Aufstellung, und die kaiserliche Armee sei daher in ihrer gegenwärtigen Verfassung weder in der Lage die Offensive zu ergreifen, noch die bisher gemachten Eroberungen zu behaupten. Der Markgraf beantragte demnach für den nächsten Feldzug die strengste Defensive auf einer der Vertheidigung möglichst günstigen Linie und die Zurückziehung der Truppen aus allen ausserhalb des ') Operations-Vorschlag des Markgrafen von Baden. Kriegs-Archiv 1690; Fase. II, 1.