May István: Die Briefe von Antal Reguly an A. A. Kunik, 1845–1855 (A MTAK közleményei 25. Budapest, 1990)

Antal von Reguly

11 Als Reguly, von den Entbehrungen und der anstrengenden Arbeit gebrochen, in unsere Heimat zurückgekehrt ist um die angebotene Stelle zu besetzen, war sein Gesund­heitszustand besorgniserregend. Er ist am 23. August 1858, sieben Jahre nach seiner Rückkehr gestorben, - aber in den letzten Jahren war er am öftersten unfähig ernst­hafte geistige Arbeit zu leisten. (Es ist wahr, dass er indessen auch günstige Intervallen hatte, - so sein Sammelweg zwischen den Paloczen, der ansehnliches ethnographisches Material ergab. Auch seine letzten Briefe erweisen, dass er sich in dieser Zeit noch für wissenschaftliche Problemen interessierte und seine Gedanken logisch darlegen konnte.) Er hatte sogar Phobie sich mit dem gesammelten Material zu beschäftigen; Hunfalvy be­mühte sich umsonst ihm zu helfen und den unschätzbaren "Schatz" zu retten: der grosse Forscher floh vor dieser Arbeit. Im psychischen Misserfolg wirkte auch der Um­stand mit, dass er ohne das bearbeitete Material nicht zurückkehren wollte, während einerseits Toldy, andererseits die russischen Akademiker ihm vorwarfen: er könnte kein sichtbares Resultat aufzuzeigen. 2 7 Seine Wirksamkeit wurde von dem berühmten finni­schen Linguist Castren überhaupt nicht anerkannt: dieser vermisste bei ihm besonders die Vorbildung in der Grammatik. Regulys Werk ist Torso geblieben: er war unfähig das riesige, unter Entbehrungen gesammelte Material - die Meisterwerke der wogulischen Volksdichtung, so wie die Arbeiten über die mordwinische und tscheremissische Grammatik und das Wörterbuch derselben Sprachen — zu systematisieren; die Volksdichtungen wurden von anderen (Pál Hunfalvy, Bernát Munkácsi, József Pápay, Miklós Zsirai, David Fokos-Fuchs) pub­liziert. Es war aber sehr schwer die Aufzeichnungen zu entziffern. Ihr geringer Teil ist noch immer unverarbeitet. Regulys Schicksal ist - ebenso wie das von Csoma de Kőrös — ein charakteristisch­tragisches, ungarisches Schicksal. Er trieb ein Irrlicht ohne es sehen zu können. Jedoch wurde er der Begründer der ungarischen ethnographischen Sammlungen; die ungarische Linguistik wurde von seinem in Torso gebliebenen Werk erneuert: man kann es für die grösste anspornende Kraft der ungarischen Sprachvergleichung und für einen von den Begründern der internationalen finno-ugrischen vergleichenden Sprachwissenschaft an­erkennen. Dieses Werk brachte eine ganze Schule hervor und versah die nachfolgende Generation der Wissenschaftler mit einer mystischen Zauberkraft. Obgleich er selbst die Frucht seiner Arbeit nicht sehen konnte, ist es doch seiner Würde anzuschreiben, dass die genetische Zugehörigkeit der ungarischen Sprache nicht nur von ausländischen, sondern von einem ungarischen Linguisten entschieden worden ist. 2 8 Man muss anerkennen, dass die berufenen Pfleger der ungarischen Sprachwissen­schaft den grösseren Teil der wertvollen Sammlung von Reguly schon veröffentlicht haben und so können sie keines schweren Versäumnis verklagt werden; die Publizierung seines Briefwechsels und seiner Handschriften ist aber noch immer zu warten. Eben deshalb betrachtete Mózes Rubinyi Regulys romanhafte Biographie (Imre Németh: "Az ősi szó nyomában." [Auf der Spur des uralten Wortes.], Bp. 1956.) als "einen lebendigen Tadel gegen den Pflegern der ungarischen Sprachwissenschaft". 2 9 Dieser kleine Band sucht dieses Versäumnis einigermassen zu ersetzen. Die Mehrheit der im leningradischen Archiv verwarteten 32 Reguly-Briefe (fond 95. opisz. 2. No. 738.) entstand während seines Aufenthaltes in Russland (der erste

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