Zalai Múzeum 3. (Zalaegerszeg, 1991)

Mader, Brigitta: Die frühmittelalterliche Fundsituation in Friaul (Aspekte zur slawischen Siedlungschronologie)

44 Mader, Brigitta Umgekehrt aber deuten die slowenischen Bezeichnun­gen für Aquileia — Oglej, Grado — Gradez, Udine — Vi­dem und Cividale — Cedad auf eine sehr £rüh stattgefun­dene Entlehnung hin, da jené den gleichen Lautgesetzen folgend aus dem Lateinischen bzw. Vulgarlateinischen ab­geleitet wurden, wie sonst slowenische Formen über das Urslawische aus dem Indogermanischen stammen (KATI­Ctó 1980,28 f.). Aber so gut auch jené zur áltesten slawischen Entlehn­schicht gehörenden Toponyme zu den bei Paulus Diaconus in Bezúg auf die Slawen erwahnten historischen Ereignis­se passen würden, bezeugen sie doch nur, dass schon sehr früh romanisch—slawische Kontakté bestanden haben. Sie sagen aber nichts über eine frühe, also schon im 7. Jh. ein­setzende slawische Besiedlung des Friauler Ostens aus. Es zeigt sich also, dass weder auf grund des archáologi­schen, noch des toponomastischen Materials eine in lango­bardische Zeit zurückgehende, erste slawische Besied­lungswelle nachgewiesen werden kann. Die Vorfahren der heute im Osten Friauls ansassigen Slowenen scheinen erst auf wesentlich spatere, sicher nicht vor dem 10. Jh. anzusetzende Besiedlungsphasen zuriick­zugehen. Das deckt sich aber einerseits auch mit den histo­rischen Fakten, die von einer slowenischen Besiedlung der Táler des Isonzó, Natisone und Torre im 12. und 13. Jh. sprechen (LEICHT 1923, 77) und andererseits mit den áltesten urkundlichen Belegen slawischer Ortsnamen, die aus dem 11. (Canale del Ferro), 12. (Torre- und Natisone­tal) und 14. Jh. (Resia- und Kanaltal) stammen (DESINAN 1982,39). Einer völlig anderen Situation stehen wir hingegen im Falle des, aus dem Zentralbereich Friauls stammenden, frühmittelalterlichen Fundmaterials gegenüber. Trotzdem auch hier nicht immer Fundberichte bzw. - umstande in ausreichender Form zur Verfügung stehen, sind wir doch, vor allém unterstützt durch die historische Quellén aber auch die Ergebnisse der Ortsnamenforschung in den betref­fenden Gebieten imstande, das gesamte zu Tagé getretene archáologische Material nicht nur in ethnischer, sondern auch chronologischer Hinsicht eindeutig zuzuordnen. Diesen Umstand verdanken wir den Einbrüchen der Un­garn, die von 899 bis 952 mehrmals über die strada alta, die von der Isonzonrücke bei Savogna nach Codroipo führt und spater in historischen Dokumenten áuch als „strada Hunga­rorum" bezeichnet wird, in Italien einfielen und weite Tei­le Friauls verwüsteten und entvölkerten. Besonders von dieser Invasion betroffen war die Friauler Ebene (Bassa Friulana) zwischen den Flüssen Torre und Tagliamento (STIH 1983,192.,PASCHINI 1934,185). In der Folge waren es dann vor allém die Patriarchen von Aquileia, nâmlich Roduald und Johannes (MENIS 1969, 183), die sich um die Repopulation der verheerten Gebie­te bemühten, und zu diesem Zweck slawische Bauern in der sogenannten „Vastata Hungarorum" ansiedelten (MENIS 1969,185). Erstmals urkundlich werden die neuen Siedler im Jahre 1031 in Verbindung mit der Ortschaft Mereto di Capitolo bei Palmanova genannt, die als „villa Sclavorum" bezeich­net wird (DESINAN 1977,146). DieNeugründungen wer­den Aquileia aber schon 1001 in einem Diplom von Ottó III.ausdrücklichzuerkannt(KOS 1915,1V, l).Leiderwer­den in dieser Urkunde die betreffenden Ortschaften nicht namentlich genannt, doch wird als sicher angenommen, dass jené mit den zahlreichen Ortsnamen slawischer Her­kunft, wie z. B. Gradisca, Gradiscutta, Goricizza, Gorizzo, Belgrado, Sella, Lonca, Glaunicco, Lestizza oder Santa Marizza, die im wesentlichen im Bereich zwischen Torre und Tagliamento bzw. Palmanova, Udine, Spilimbergo und Latisana mit einer auffallenden Konzentration um Codroipo auftreten, in Verbindung zu setzen sind. Darüber hinaus gebén die mit slawisch pust „öde, leer, verlassen" gebildeten Toponyme, wie Pustotta, Pustotis, Pustote usw., die besonders auf mittelalterlichen Landkarten zu finden sind (PELLEGRINI 1972, 74) ebenso wie die hàufigen, vom Ethnikon Sclav- abzuleitende Ortsnamen wie Scla­vons, Sclaunicco oder Sclavagnestis (DESINAN 1977, 148) Aufschluss über Ausmass und Verbreitung dieser in der zweiten Halfte des 10. Jhs. stattgefundenen slawischen Besiedlung. Vergegenwàrtigen wir uns nun das archáologische Ma­terial dieser Zone, so zeigen sich klare Übereinstimmungen mit den eben angeführten historischen Gegebenheiten und linguistischen Resultaten (MADER 1988,40). Praktisch das gesamte Fundgut—in Aquileia vierLunu­iaohrgehànge, drei geschmiedete mit Tremolierstichver­zierung und einer mit schwarz-weissem Grubenemail, so­wie eine bronzene Emailscheibenfibel mit Agnus Dei-Mo­tiv; allé angeblich Grabfunde aus dem unmittelbaren Bere­ich von Aquileia (KOROSEC 1956,459 ff. u. Taf. 1/1—8; SRIBAR 1973,119 u. 121; BROZZI1963,68 u. 71); in Ca­poriacco der eingangs erwâhnte halbmondförmige Ohrring mit Emaileinlage, der 1889 anlâsslich von Feldarbeiten zufállig zum Vorschein kam (KOROSEC 1955,247 ff. u. Taf. 3/5; SRIBAR 1973,119 u. 121; BROZZI1963,68); in Turrida vor allém wieder Lunulaohrgehünge aus Bronze sowohl mitEmail- als auch Tremolierstichverzierung, aber auch ein einfacher Kopfschmuckring aus Draht mit drei aufgeschobenen Blechbeeren (eine davon nur mehr zur Halfte vorhanden) und Drahtwicklung, weiters eine Schei­ben- und eine gleicharmige Bügelfibel, die aus einer 30 Grâber umfassenden Nekropole stammen, die 1923 un­weit der Pfankirche San Odorico in 60 cm Tiefe aufgedeckt wurde (KOROSEC 1955, 247 ff. und Taf. I, II; SRIBAR 1973,110 ff. u. Taf. I, П; BROZZI 1963,66 u. 68; SIVEC 1975,72 u. 75 u. Taf. 1/11); und vermutlich aus Tarcento ein fast identisches Gegenstück zu einem der gravierten, geschmiedeten Halbmondohrringe von Turrida (KORO­SEC 1955,252; SRIBAR 1974,110 u. 118 u. Taf. 2/6) — kann der von GIESLER (1980, 94) vorgeschlagenen Spâtphase der Köttlacher Kultur, mit der jener von der zweiten Halfte des 10. Jhs. bis etwa zur Mitte des 11. Jhs. rechnet, zugeordnet werden. Als zeitgleich sind ebenfalls die Lunulaohrgehânge mit Emaileinlage aus Corno di Rosazzo auf halbem Weg von

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