Zalai Múzeum 3. (Zalaegerszeg, 1991)

Mader, Brigitta: Die frühmittelalterliche Fundsituation in Friaul (Aspekte zur slawischen Siedlungschronologie)

Die frühmittelalterliche Fundsituation in F Haul ben. Dies deckt sich aber auch ganz mit den Grabungsresui­taten von Invillino. Die Forschungen im castrum Ibligo ergaben nâmlich, dass hierim 5.—7. Jh. eineromanisch — autochtone Bevöl­kerungsgruppe siedelte, die wahrscheinlich den Mittel­punkt von mehreren romanischen Siedlungen im oberen Tagliamentotal — wo sich übrigens auch Luincis, Clavais und Andrazza befinden — bildete, wâhrend die langobar­dische Komponente im castrum schwach vertreten ist. (BffiRBRAUER 1985,19). Laut BIERBRAUER scheint eine Überinterpretation der bei PAULUS DIACONUS erwâhnten Fakten und Er­eignisse vorzuliegen, denn im Grunde spricht jener nur vom Rtickzug der Langobarden angesichts des Awaren­sturms, nicht aber von langobardischen Militárlagern. Eben­co wenig berichtet er auch von slawischen Ansiedlungen, sondern lediglich von deren Vorstössen und kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Langobarden. Zieht man in diesem Zusammenhang in Betracht, dass sich die halbmondförmigen Ohrgehànge aus Andrazza, Luincis, Clavais und Mossa keineswegs eindeutig glei­chen, sondem vielmehr eher als „weitschichtig" verwandt bezeichnet werden können — SRIBAR selbst bemerkte, dass eigentlich nur die Schmiedetechnik deren einziges ge­meinsames Merkmal ware (1973,110)—und tragt weiters dem Umstand Rechnung, dass âhnliche, aus romanisch— autochtonen Fundstellen stammende, Lunulaohrringe in Ficmano, südlich von Cividale (BROZZI1971,71 ff. und 1989, 65 f. u. Taf. 8/1) und Mainizza bei Farra d'Isonzo (BROZZI 1989,70 u. Taf. 10/4; BUORA 1981,32 ff.) vor­liegen, so finden die von Brozzi jüngst geâusserten Zwei­fel an der slawischen Herkunft dieser halbmondförmigen, geschmiedeten Ohrringe, die er lieber als autochton—ro­manisch einstufen würde, immer mehr Berichtigung. Und eigentlich weist auch schon SRIBAR (1974,480) indirekt in diese Richtung, wenn er meint „Obwohl wir diese Ohr­ringe als slowenisch bezeichnen, müssen wir doch die Möglichkeit zulassen, dass bei ihrer Gestaltung und An­wendungsweise auch das ethnische Element der Ursiedler zum Ausdruck kam." Vielleicht sollte man sich daher überhaupt zur Ausglie­derung dieser Fundstücke aus dem Karantanisch—Köttla­cher Material Friauls entschliessen. Ganz sicher aber sind diese Ohrgehànge nicht als slowe­nisch anzusehen, denn zu diesem frühen Zeitpunkt kann von slowenisch noch nicht die Rede sein. Linguistisch ge­sehen scheint sich das Slowenische nâmlich erst im Laufe des 10. Jhs. herauszubilden, denn dieFreisinger Denkmâler, die allgemein bereits als slowenischerTextangesehen wer­den, zeigen immer noch ziemlich altertümliche Ziige, die mit dem Alpenslawischen iibereinstimmen (POHL 1974, 9), also mit jenem archaischen Slawisch, das sich in der seit Ende des 6. Jhs. den Ostalpenraum besiedelnden sla­wischen Bevolkerung entwickelte. Da die Slowenen als Nachfolger der Alpenslawen ange­sehen werden, diirfte an dieser Stelle nur der Terminus „al­pensíawisch" Anwendung finden. Und Alpenslawen miiss­(Aspekte zur slawischen Siedlungschronologie) 43 ten es auch gewesen sein, die in der Folge der bei Paulus Di­aconus geschilderten Slaweneinbrüche im Osten Friauls ansâssig wurden. In diesem Fall jedoch sollten sich hier Ortsnamen fin­den, die fur das Alpenslawische typische phonetische und morphologische Merkmale aufweisen und somit die An­wesenheit jener frühmittelalterlichen Slawenbezeugen wur­den. Leider aber ist meine Suche nach derartigen Toponymen in Friaul negatív verlaufen. Sâmtliche Ortsnamen slawi­scher Herkunft wie z. В.: Platischis (1206 Platischis, aus blatiSce zu blato „Sumpf 0, Gradisca (mehrfach in Friaul vertreten) aus: gradiSce zu grad „Burg"), Prapotischis (aus: prapotisce zupraprot„Farnkraut"), Sella (aus: selo „Dorf '), Mocilo oder Mocila („feuchte Gegend"), Le Loche di Tri­vignano (aus loka „Wiese"), Podpec (ital. Bordon, Í534 Popechni, aus: pod „unter" undpeő „Fels", in slowenischen Dialekten auch „Höhle"), Ravne (1632,1642 Raunia, zu ra­ven „eben, flach"), Debel(l)is (zu debel „dick, dicht"), Vi­socco (zu visok „hoch"), Rupa (zu rupa „Loch, Grube"), Patocco (zu potok „Bach"), Dolegna (aus: dolenjane zu dol „Tal") zeigen nâmlich bereits viel jüngere bzw. schon dem Slowenischen zuzuordnende Merkmale. Es fehlen auch Hydronyme auf — ika (Bagni di Lusnizza aus luznica; Ugovizza zu slow, ukati „brausen, tosen"; Stermizza aus strmica zu strm „schriff, steil"), ebenso wie Ortsnamen aus Personennamen auf — ilci und Toponyme, die aus alten Personennamen gebildet sind (Perovizza zu Pero) (DESI­NAN 1977, 1982; FRAU 1978; ZUANELLA 1980 ff.; MADER 1988, 38). Es lassen sich daher auch aus dem vorliegenden Ortsna­menmaterial keinerlei Hinweise auf eine friihe slawische Einwanderungsphase ableiten. Allerdings könnte es hier, wo heute ebenfalls eine slo­wensprachige Minderheit ansâssig ist, durchaus zu einer áhnlichen Erscheinung wie in Kârnten gekommen sein, da wir es auch dort von alters her mit einer gemischtsprachi­gen Situation (romanisch —slawisch bzw. deutsch —sla­wisch) zu tun haben. In Kârnten unterlag nâmlich das al­penslawische Namengut im Laufe der Zeit phonetischen Verânderangen, die durch die sprachliche Weiterentwick­lung und spâterenZuzug slowenisch sprechenderBevölke­rungsgruppen verursacht wurden. Altertümliche, alpensla­wische Namenformen aber konnten nur durch eine „recht­zeitig" erfolgte Entlehnung ins Deutsche bewahrt werden. Ohne diese Ubernahme hâtten wir heute beispiels weise nur mehr die slowenische Bezeichnung Pece ( 1854 Pecani, Pe­ce), aus der eingedeutschten Form Pöckau aber, die auf Pekt'jane (1238 Peccah) zuriickgeht, wissen wir um die al­penslawischen Wurzeln dieses Toponyms. Genauso verhalt es sich auch mit Jesenice in Slowenien, das im Deutschen Assling heisst. Derartige Beispiele fur Entlehnungen aus dem Slawi­schen ins Italienische bzw. Friaulische, die geeignet wâren, die alpenslawische Herkunft der Toponyme zu dokumen­tieren, fehlen jedoch in Friaul ebenfalls (MADER 1988, 39.).

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