Ljudje ob Muri. Népek a Mura Mentén 2. kötet (Zalaegerszeg, 1998)

Othmar Pickl (Graz): Das Grenzverteidigungssystem gegen die Türken in Ungarn. Nationale Unterschiede in Strategie und Taktik der Osmanen-Abwehr

OthmarPlCKL österreichischer Seite stellten die noch in der alten Doppelmonarchie wirkenden Historiker Mayer-Kaindl-Pirchegger zum Wert der im Türken- bzw. im parallel dazu laufenden Spanischen Erbfolgekrieg erworbenen Länder fur Österreich lapidar fest: „Die beste Kraft aber erwuchs Österreich aus dem gefestigten Besitz des Königreichs Ungarn. " 38 In der ungarischen Geschichtsschreibung ist das Urteil der jüngeren Historikergeneration über die Rolle der Habsburger in der Türkenabwehr wesentlich positiver als das der älteren ungarischen Historiker. Die ältere ungarische Geschichtsschreibung meinte, Ungarn sei nach dem Sieg der Habsburger über die Türken aus der türkischen in die habsburgische Knechtschaft geraten. Diese Ansicht wird heute abgelehnt, denn die Vertreibung der Türken muß im Lichte der Universalgeschichte Europas als eine positive Leistung der Habsburger betrachtet werden. Sie haben damit verhindert, daß Ungarn aus der westlichen Gemeinschaft herausgerissen und balkanisiert bzw. islanüsiert wurde, wie das für die anderen Balkanstaaten zutraf. Damit aber konnte Ungarn seine europäischen Strukturen durch 150 Jahre Türkenherrschaft hinüberretten. Die Habsburger haben damit eine europäische Leistung vollbracht. 39 Auch jetzt betonten die ungarischen Historiker allerdings, daß fur die Ungarn die „Verteidigung des Magyarentums" auch während der Türkenabwehr das eigentliche Hauptan­liegen war. Sie verweisen mit Recht darauf, daß in den 150 Jahren von etwa 1541 bis 1699, Ungarn der eigentliche Kampfplatz zwischen Kreuz und Halbmond war. Die ungarische Bevölkerung wurde dadurch dezimiert und die Städtestruktur zerstört, wodurch das Ungarn­tum im eigenen Land sein zahlenmäßiges Übergewicht verlor. Erst im 19. Jahrhundert konnten im Königreich Ungarn die Magyaren - nicht zuletzt durch ihre Magyarisierungspolitik - wieder eine knappe Mehrheit gewinnen. Bezeichnend für die europäischen Strukturen Ungarns ist nicht zuletzt der unbändige Freiheitswille der Magyaren, der sich sowohl in den großen Aufständen gegen die Habsburger, zuletzt 1848/49, aber auch noch im Ungarnaufstand von 1956 gegen die sowjetische Unter­drückung so beispielhaft, aber auch infolge seiner Erfolglosigkeit erschütternd ausdrückte. Wir Österreicher haben 1956 die „ungarische Tragödie" als Nachbarn nicht nur erschüttert miterlebt, sondern in vorbildlicher Hilfsbereitschaft rund 200.000 ungarische Flüchtlinge aufge­nommen. Wir hatten damals nämlich noch in frischer Erinnerung, daß wir erst ein Jahr zuvor nach zehn Jahren der vierfachen Besetzung durch den Staatsvertrag von 1955 endlich die volle Freiheit und Souveränität wiedererlangt hatten. So wurde das Jahr 1956 zu einem weiteren Markstein in der rund 1.100jährigen Schicksalsgemeinschaft Österreichs und Ungarns. Anmerkungen 1 Géza Pálffy, Das ungarische Grenzverteidigungssystem. 2 Ebd. 3 Géza Perjés, Zur Psychologie des ungarischen Militärs im 16. und 17. Jh., in: Militärgeschichtliche Mitteilungen, Karlsruhe 2/1971, S. 7-25, hier S. 9 bzw. István N.-Kiss, Verteidigung gegen die Türken, S. 176 f. 4 G. Perjés, Psychologie, S. 14. Vgl. dazu O. Pickl, Der Viehhandel von Ungarn nach Oberitalien vom 14. bis zum 17. Jh., in: Internationaler Ochsenhandel 1350-1750. Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Bd. 10/1979, S. 39-81, hier 192

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