„Stephan Dorffmaister pinxit”. Dorffmaister István emlékkiállítása (Zalaegerszeg, 1997)
Galavics Géza: Die Histrienbilder von Stephan Dorffmaister
ihre einstigen Kirchen wieder in Besitz. Während aber die Türken zuvor zahlreiche christliche Kirchen als Bauten bestehen ließen, gebrauchten die Christen die türkischen Moscheen nur für kurze Zeit, um dann jeweils an derselben Stelle aus denselben Steinen neue barocke Kirchen zu errichten. In Szigetvár, am Schauplatz des für Ungarn verhängnisvollen großen Sieges der Türken, hat man aber als seltene Ausnahme - die Moschee erhalten, und den Triumph der Christen in der Kuppel durch Gemälde verkündet. Diese Lösung ist einzigartig in der Geschichte der Barockkultur in Ungarn und zeugt von der sinnvollen Anwendung der Repräsentationsmöglichkeiten der bildenden Künste. Die drei monumentalen Arbeiten Dorffmaisters an Schauplätzen denkwürdiger Schlachten der Türkenkriege entstanden zwischen 1784 und 1788 innerhalb von vier Jahren. Der Wiener akademische Maler, der seine Studien um 1760 abgeschlossen hatte, wirkte damals schon seit einem Viertel Jahrhundert in Ungarn und arbeitete für Kirchen, Klöster und Schlösser Westungarns im Rahmen eines Themenkreises und einer Bildsprache, die stark traditionell waren. Das „ungarische Historienbild" bedeutete für ihn eine Aufgabe neuen Typs, und es ist lehrreich, zu verfolgen, wie Dorffmaister an diese Aufgaben heranging und sie meisterte. Hinsichtlich der Bildstruktur wählte er traditionelle Lösungen: bei Tafelbildern aus dem Formenrepertoire der niederländischen Genremalerei (z. B. Abb. 49.), bei Wandgemälden aus dem Instrumentarium der illusionistischen Deckenmalerei. Unter den beiden Gattungen ist das Tafelbild frischer, unmittelbarer in seiner Wirkung, gegenüber Neuerungen aufgeschlossener - und dies nicht nur wegen seiner profanen Funktion. Es ist kein Zufall, daß an den Ölgemälden von Mohács das Streben nach Authentizität mit der genaueren Andeutung der Umgebung (die Nähe der Donau, der Bejg von Nagyharsány) und der authentischen Darstellung der Hauptfigur König Ludwigs II. durch den außerordentlichen Harnisch stärker zur Geltung kommt. Das Motiv des in den Bach Csele stürzenden Königs wurde gewiß durch einen Kupferstich angeregt (Abb. 43.). Dieser Stich gehörte zur Folge der Illustrationen des Corpus Juris Hungarici, die in den Ausgaben seit 1742 enthalten ist. Die Bildnisse der ungarischen Könige sind dort aufgrund der Nürnberger Ausgabe des „Mausoleums für die glorreichsten Könige Ungarns" von 1664, eines zweisprachigen, reich illustrierten Geschichtswerks, das für die Ikonographie der ungarischen Könige zweihundert Jahre lang maßgebend war, 14 durch zeitgerechte winzige Ereignisdarstellungen ergänzt wurden. (Abb. 50.) Dies galt als Neuerung in der Bildtradition der ungarischen Königsdarstellungen: Hinter der Person der Könige beziehungsweise den Bildnissen, die die Könige verkörperten, erschienen jeweils historische Darstellungen und auf diese Weise wurde der Verlauf der Geschichte greifbar. 15 Mehr als eine später in der ungarischen Historienmalerei oft gestaltete Szene tauchte in dieser Stichfolge zum erstenmal auf, Stephan Dorffmaister griff auch in anderen Fällen darauf zurück. Außerdem verwertete er Kompositionen türkischen Themas, die ihm in seiner Umgebung zugänglich waren: die Gruppe der Befreiung der in Ketten gelegten Gefangenen (Abb. 48.) übernahm er zum Beispiel vom Hochaltar der Trinitarier von Preßburg, dort gestaltete F. X. Palko Trinitarier, die - im Sinne der Zielsetzungen ihres Ordens christliche Gefangene aus der türkischen Gefangenschaft loskaufen. Dorffmaister kannte das Altarbild im Original, aber er konnte auch den Stich F. Schmittners nach dem Altar verwendet haben. 16 (Abb. 51.) Er verwendete bei seinen Deckenfresken auch jene kompositionellen Gemeinplätze, die bei der Vergegenwärtigung von „Kampf und „Sieg" seit Jahrhunderten in Gebrauch waren. In Szentgotthárd sticht der kaiserliche Soldat den türkischen Soldaten, der aus dem Bildfeld zu stürzen scheint, nach dem Schema „Sankt Michael besiegt den Bösen" nieder. (Abb. 52.) In Szigetvár gestaltete er den Kampf von Miklós Zrínyi nach dem Schema Hercules und Antheus (Abb. 46.) Er zeigt aber Zrínyi nicht in der Gestalt des Helden Hercules, sondern als Antheus, der an der Berührung mit der (heimischen) Erde gehindert seine Kräfte verlor. Unter den Übernahmen dieses Typs war für Dorffmaister zweifelsohne die „Bekehrung des heiligen Paulus" von Rubens die brauchbarste. (Kat. Nr. 65, Abb. 53.) Die bewegte Szene zwischen sich bäumenden und zur Erde stürzenden Pferden kehrt in den Bildern von Szentgotthárd (Abb. 54.), Mohács (Abb. 55.) und Szigetvár gleicherweise zurück. Dorffmaister kleidete einen Teil der römischen Soldaten von Rubens in türkische Tracht, verlieh ihnen Schnurbart und türkische Haartracht, und gab ihnen türkische Fahnen mit Halbmond und Pferdeschwanz in die Hand. Dorffmaister kannte die Komposition von Rubens ziemlich genau, er malte nach einem Nachstich auch ein Ölgemälde gleichen Themas. 17 (Abb. 56.) Diese Methode gehörte in der Renaissance und im Barock zur gängigen Praxis in der Malerei, Dorffmaister fühlte sich in dieser Hinsicht ganz frei, wie er es 1792 selbst formulierte: „dem Mahler und Poeten ist alles erlaubt." 18 Hinter diesem stolzen Satz verbirgt sich die traditionsreiche Kunstauffassung des „ut pictura poesis", und Dorffmaister wies damit die Kritik seines bedeutendsten Mäzens Johannes 116