A Veszprém Megyei Múzeumok Közleményei 17. (Veszprém, 1984)

Gelencsér József: Az öröklési szokások változása a Káli-medencében

JÓZSEF GELENCSÉR DIE VERÄNDERUNG DER ERBGEWOHNHEITEN IM KÁLER BECKEN Die mit der Beerbung zusammenhängenden rechtli­chen Volkssitten in Ungarn haben relativ früh die Be­achtung der Rechte- und Ethnologiepfleger auf sich ge­zogen. Von der Jahrhundertwende an erfolgten mehre­re bedeutende Datensammlungen und entstanden meh­rere Studien. Die rechtlichen Volkssitten erfüllten eine gesetzkor­rumpierende und gesetzersetzende Rolle. Genau wie das Gewohnheitsrecht der Rechtsanwendung der herr­schenden Klasse nicht fremd war, existierte auch im Bauernleben das System der rechtlichen Volkssitten. Ich habe die Veränderung der Erbgewohnheiten in dem sich im Oberland des Balaton erstrekkenden Káler Bec­ken im Zeitraum von 1848 bis 1960 untersucht, wobei ich die Zeitgrenze in keiner Richtung als fest angesehen habe. Am Ende des letzten Jahrhunderts existierten in Un­garn im Kreise der Bauernschaft mehrere Erbsysteme. Im Káler Becken war im untersuchten Zeitraum das Er­be der Nachkommen zu gleichen Teilen allgemein ver­breitet. Die gleiche, ja sogar naturale Teilung zwischen den Geschlechtern war die Richtung der Entwicklung, was zur Zerstückelung des Besitzes führte. Die allge­meine Praxis erlitt aber an mehreren Punkten einen Bruch. Als Überbleibsel des alten Rechts sind auch Ele­mente des agnatischen Erbes zu finden. In begrenztem Maße versuchten die Jungen gegenüber ihren Schwes­tern die Immobilien für sich zu erlangen. Die Kosten der Ausbildung wurden in das Erbe miteingerechnet, die Kinder, die auf die geistige Laufbahn geschickt wur­den oder ein Gewerbe erlernten, bekamen nur bei den wohlhabenderen Familien wenige Immobilien. Jener Nachkomme, der für den Unterhalt der in der Arbeit gealterten Eltern sorgte, erhielt mehr als die anderen Erben. Bei der Verteilung des Nachlasses versuchte jeder Erbe, Immobilien entsprechend der sinnvollen Weiter­führung seiner Wirtschaft und seines persönlichen In­teresses zu erlangen. Mangels einer Einigung bildete sich zur Vermeidung von Diskussionen die Technik der Verteilung heraus, die sich mit der Zeit änderte. Gemäß der früheren Praxis galt das Prinzip der Minorität, d.h., zwischen den gleichwertigen Erbteilen hatte das jüngste Geschwister das Recht der Wahl. In der neueren Praxis erhielt das Glück einen großen Anteil, da durch das Los entschieden wurde. Das Eigentumsrecht für die beweg­liche Habe erwarb sich zum großen Teil das Geschwis­ter, das im Elternhaus blieb. In den Briefschatullen der ehemaligen kleinadeligen Familien wurden vom Ende des 17. Jahrhunderts an eine große Anzahl beweiskräftiger Schriften aufbe­wahrt, Die Bewahrung und Pflege des Familienarchivs war lange Zeit das Vorrecht des Erstgeborenen. Die volkstümliche Rechtspraxis kam auch in den Tes­tamenten zur Geltung. Der Grund für die letztwillige Verfügung konnte die Bevorteilung der Person, die die Versorgung der Eltern übernahm, der Einfluß auf das Schicksal des Vermögens im Falle des Ablebens ohne Nachkommen oder eventuell die Enterbung sein. Die Testamente wurden mit einem an die Urkunden des Mittelalters erinnernden Aufbau gefertigt, ihre schrift­liche Abfassung erfolgte oft durch den Notar. Als Zeu­ge wurde gern eine Amtsperson in Anspruch genom­men. Bis zum II. Weltkrieg erhielten die Nachkommen zu Lebzeiten der Eltern in allgemeinen keine Besitzstücke. Im Falle des Todes eines Elternteils, vor allem des Va­ters, übergab man aber den volljährigen Kindern die Möglichkeit der weiteren Bewirtschaftung. Das andere Elternteil hielt entweder soviel aus dem Besitz zurück, das seinen Unterhalt gewährleistete, oder bedingte sich Naturalversorgung aus. Die Blütezeit des letzteren, der Intertention, war im 19. Jahrhundert und lebte in erster Linie in der Schicht der Kleinadeligen und wohlhaben­deren Bauern. Allgemein war üblich, daß der verwitwe­te Elternteil von einem der Geschwister zu sich genom­men wurde, und die anderen Geschwister verpflichte­ten sich, jährlich eine bestimmte Menge Naturalien, eventuell Geld, zur Verfügung zu stellen. Nach dem Tode des Erblassere hielten die Nachkom­men die Eigentumsgemeinschaft nur in kleinem Kreise auf, und zwar — entsprechend den Regeln der vernünf­tigen Bewirtschaftung — bei Wäldern, feudalen Nutz­nießungsrechten, Mühlen, in anderen Orten befindli­chen, anders nicht nutzbaren bzw. zum Pfand gesetzten Immobilien. Die Teilungsbriefe, die die Eigentumsge­meinschaften abschatten, besaßen einen klaren Aufbau und eine erhabene Ausdrucksweise, vor allem bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Vertragspart­ner legten ihre Beziehungen zum Erblasser fest, erklär­ten ihre Absicht zum Abschluß einer Vereinbarung und zählten die Besitzgüter auf, wobei sofort gekennzeich­net wurde, wer was erhielt und was gemeinsames Ei­gentum blieb. Vom Ende des 19. Jahrhundert an löste sich die Feierlichkeit des Textes und ließ man die For­malitäten immer mehr weg. Während der Forschung konnte festgestellt werden, daß im Káler Becken eine große Anzahl sich mit der Zeit ändernder rechtlicher Volkssitten im Zusammen­hang mit der Beerbung lebten. Im geltenden Recht be­deutet das Jahr 1848 eine Scheidelinie, nicht so aber in den Volksbräuchen. Es blieb der Anspruch der Jungen auf einen größeren Teil gegenüber ihren Schwestern, obwohl sich das Erbe zu gleichen Teilen gegenüber an­deren Regionen schneller herausbildete. Außer der Än­derung des Erbsystems können die Veränderungen auch bei der Eigentumsverteilung zu Lebzeiten der Eltern, bei der Versorgung der Eltern, und im Problemkreis der Aufrechterhaltung und Abschaffung des gemeinsamen Eigentums, der Technik der Verteilung des Nachlasses, der Aufbewahrung der Familiendokumente und der Veränderung der Ausdrucksweise der Urkunden ver­folgt werden. Die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftli­chen Veränderungen nach dem II. Weltkrieg hatten auf die rechtlichen Volkssitten eine größere Wirkung als auf viele andere Gebiete des bäuerlichen Lebens. Dabei genügt es, den Rückang des erbbaren Besitzes bzw. des­sen Fehlen, die Arbeitnahme außerhalb der Landwirt­schaft und das Wegziehen aus den Dörfern zu erwäh­nen, die alle in Richtung des schnellen Aussterbens der rechtlichen Volkssitten wirkten. Dies gilt auch dann, wenn die rechtlichen Volkssitten sich auf einem kleinen Gebiet bis in unsere Tage erhalten haben (z.B. bei der Beerbung der Mobilien, bei der Technik der Verteilung, bei der Aufbewahrung der Urkunden). Die rechtlichen Volkssitten in den Dörfern des Káler Beckens lebten im untersuchten Zeitraum im wesentli­chen in der gleichen Form. Von der Mitte des vorigen Jahrhunderts an konnte im Brauchgut der Gemeinden mit verschiedener Religion und rechtlicher Situation kein grundlegender Unterschied nachgewiesen werden. Bestimmte rechtliche Volkssitten standen jedoch in en­gem Zusammenhang mit den Vermögensverhältnissen der Familien. 657

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