A Nyíregyházi Jósa András Múzeum évkönyve 37-38. - 1995-1996 (Nyíregyháza, 1997)

Régészet - János Makkay: Preciosissima amphora aurea nobilissimis gemmis undique adornata mire pulchritudinis, a tempore regis Ungarie Attile usque nunc in Ungaria conservata oder Die edelsteinbesetzte Goldschale der Arpaden und die Attila-Überlieferung

János Makkay bereits stehenden Casa Santa von Loreto im 16. Jahrhundert zusammengestellte Litanei nennt die Heilige Jungfrau Spiegel der Wahrheit, Sitz der Weisheit, Grund unserer Freude, Gefäß der Seele, Ehrwürdiges Gefäß, Vortreffliches Gefäß der Frömmigkeit. 12 Auf den AJtar gehoben ist Ladislaus, das reine Gefäß des Heiligen Geistes, also nichts anderes als der Spie­gel der Wahrheit bzw. Ritter der Wahrheit der Heiligen Jungfrau. Aus diesem Grund konnte die einstige Silberschale des Königs in Várad über das Besitzrecht der Schale entscheiden, weil sie der Spiegel der Wahrheit war. Im übrigen hegen wir den Verdacht, daß es sich bei der Schale, die der Vater des Soldaten als Geschenk erhielt, um eine landnahmezeitliche Silberschale gehandelt hat, und zwar nach dem Muster eines der drei heute aus Zemplén, Gégény und Kétpó bekannten Stücke (FODOR 1994.59.). Arpadenzeitliche Silberschalen aus dem 11. Jahrhundert existieren nämlich vorläufig nicht. Das gerechte Urteil aber, das sich im Dom auf dem Grabe bzw. Altar von König Ladislaus abspielte, entspricht genau den wunder­samen Elementen in Verbindung mit der Gralslegende und dem Nartjamonga genannten Pokal im ossetis­chen-nartischen Heldenepos. In der christlichen Liturgie symbolisiert der hl. Gral jenen Kelch, den Jesus seinen Jüngern anläßlich des Letzten Abend­mahles reichte: „Und nahm den Kelch und dankte und gab ihnen den; und sie tranken alle daraus. Und er sprach zu ihnen: Das ist mein Blut des Neuen Testaments, das für viele vergossen wird". 13 Der heilige und magische Kelch (oder die Schale) des indoeuropäischen Heidentums geht erstgradig auf die Goldschalen der Skythen und Perser zurück.' 4 Wie István Borzsák detailliert nachwies, verkörperte die königliche Schale oder der Kelch aus Gold bei den iranischen Achaimeniden den himmlischen Glanz bzw. Ursprung des persischen Königtums. Das war der xvarsnah, und um eben diesen zu erringen, bemühte sich Alexander der Große, dem von ihm handelnden Roman zufolge, beim Festmahl des persischen Königs Dareios, so viele Goldschalen wie möglich zu erlangen. 15 Der Gral und die ossetischen Nartjamonga-Kelche standen, den alten Traditionen gemäß, nur den tapfersten, edelsten und reinsten Kriegern zur Verfügung; nur demjenigen war es gestattet, aus ihnen zu trinken, der ehrlich, ohne Fehl und Tadel war und eine Sache der Wahrheit entsprechend erzählte. Gerade deshalb also war die Frage so wichtig, wer des Kelches wirklich würdig wäre, denn Verrätern durfte er nicht übergeben werden. Zweifellos hat die magische Silberschale auf dem Grab Ladislaus des Heiligen auch eine Überlieferung des heidnischen Zeitalters bewahrt. Sie vertrat dieselben Vorstellungen wie einer cler heidnischen, aus dem Iranischen stammenden Begriffe des Grals zur Zeit von König Artus, oder wie dessen auch weiterhin iranischer Verwandter, die Schale der heidnischen Narten = Altosseten/Osseten, die Nartjamonga (MAKKAY 1996.). Der in der Ladislaus-Legende überlieferte Begriff scutella (Verkleinerungsform von scutra, vom lateinischen scutum = Schild abgeleitet) übrigens bedeutete ursprünglich ein viereckiges oder rundes, etwas bauchiges Holztablett, auf dem die am convivium Teilnehmenden die Gläser und Kelche herum­reichten. 16 Der Várader Chronist vom Anfang des 13­Jahrhunderts jedoch meinte mit dem lateinischen Ausdruck scutella nicht Tablett, sondern Kelch oder Schale. 17 Der andere Zweig ist demnach das unmittelbar in der vorderasiatischen Überlieferung wurzelnde Neue Testament, die beim Letzten Abendmahl benutzte Schale oder der Kelch, der hl. Gral. Der Überlieferung zufolge fing Josef von Arimathea darin das Blut Christi auf, als man ihn vom Kreuz nahm. Er oder seine Familie brachten ihn dann nach Britannien, als sie gingen, um das Land zu christianisieren. Später jedoch, als das Heidentum wieder erstarkte, verschwand der Gral plötzlich und war nur noch wenigen sichtbar. So begannen Bors, Parzival und der lautere Galahad ­alles Ritter von König Artus' Tafelrunde - nach ihm zu suchen. Lancelot hingegen, zentraler Held dreier mittelalterlicher Artuslegenden, sah ein, daß seine erfüllte Liebe zu Artus' Gemahlin Ginevere ein Frevel war, für den er büßen und zahlen muß. Zwar gelangte auch er zu der Burg, die den Gral beherbergte, und durfte sogar bei den rituellen Handlungen zugegen sein, doch des größten Wunders wurde er nicht teilhaftig: den Gral konnte er niemals erblicken. Höchstens in dem Maße, wie ein Blinder das metallische Schimmern eines Schwertes wahrnimmt (LACY 1986.324-325.). Als Ritter Lancelot schließlich zu der Tür jenes Zimmers gelangte, in dem man den Gral aufbewahrte, „...öffnete sich die Tür und sein Blick fiel auf das heilige Gefäß, das mit purpurnem Goldbrokat zugedeckt war, und Engel umschwebten es. Als er das Zimmer aber, wie eine Stimme es ihm verbot, trotzdem betreten wollte, fühlte er plötzlich einen feuerähnlichen Hauch, wovon er zu Boden stürzte und nicht mehr aufstehen konnte...Alle Kraft verließ seinen Körper, weder hörte noch sah er. Dann fühlte er viele Hände um sich, die ihn anhoben und zur Zimmertür hinaustrugen, doch als sie ihn niederlegten, hielt seine Ohnmacht weiter an und alle glaubten ihn tot." IS Die Szene stimmt nahezu wortwörtlich mit dem entsprechenden Teil des sechsten Wunders der Ladislaus-Legende überein. Völlig ausgeschlossen werden kann allerdings, daß die Artuslegende die ungarische Legende vom Ende des 12. Jahrhunderts in irgendeiner Form beeinflußt hätte, oder daß ein » WERNER 1948.62. - Lateinischer Text der berühmten Mariensequenz „Salve mater Salvatoris": Salve mater, Salvaforis/ vas electum, vas honoris / vas coelestis gratiae. // Ab aeterno vas provisum / vas insigne, vas excisum / manu sapientiae. MKZKY 1980.45. » Markus 14,23-24. Vgl. Matthäus 26,27-28. " Ausführlich s. MAKKAY 1995.28-29.,31., 50-52. ,s BORZSÁK 1990.55-62., BORZSÁK 1982.79-86. Siehe noch MAKKAY 1995.28-30. - Der Pokalträger bekleidete bei den Sassaniden im 3. Jahrhundert n. Chr. ein vornehmes Amt: SZKMERENYI 1991.1973. - Vgl. ALFÖLDI 1941.6-10. "' Cicero-. Tusculanae Disputationes 111,19. - Ulpümus: Digestorum Über 34,2. 20 r Im übrigen wird das Won scutella zu Beginn des 15.Jahrhunderts auch von einem gewissen Helinand von Froiclmont benutzt, als dieser den Gral erwähnt, wenngleich noch im alltäglichen Sinne: Gradalis auleni sine gradate gallice dicilurscutella lala et aliquanlulum profunda in qua pretiosae dupes cum suojure divilibussolenl apponigradathn. ... ei dicilur vulgari nominegraalz. Vgl. LACY 1986.257. ,M SCHERER 1945/1974.68.",79. sowie Sir Mallory: Morte D'Arthur, Book xvii, 15 208 A Jósa András Múzeum Évkönyve 1997

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