A Nyíregyházi Jósa András Múzeum évkönyve 36. - 1994 (Nyíregyháza, 1995)
Nándor Kalicz: Wenden des Spätneolithikums im Oberen Theissgebiet
Nándor KALICZ Großen Ungarischen Tiefebene früher begonnen hat als im Norden (KALICZ-RACZKY 1984.131., KALICZRACZKY 1987.a.ll-27., RACZKY 1986.103-109.). Wir setzen nämlich das Spätneolithikum der ganzen Lebensdauer der Theiß-Kultur parallel, und die Forschungen der jüngsten Vergangenheit haben klar gemacht, daß die Entwicklung der Theiß-Kultur im Süden der Tiefebene vor sich ging, zu einer Zeit, als im Norden der Tiefebene noch die Bükk-Kultur und die spätesten Gruppen (z.B. die Szilmeg-Gruppe) der Alföld-Linienbandkeramik (ALBK) ungebrochen weiterlebten (KALICZ-RACZKY 1987.a.30.: chronologische Tabelle, KALICZ 1989-103-122.). Zu den wichtigen Forschungsergebnissen der vergangenen Jahrzehnte gehört das Erkennen der schwerwiegenden Tatsache, daß das Obere Theißgebiet im Laufe des Neolithikums und der Kupferzeit zu einer der wirtschaftlich bedeutendsten Gegenden des Karpatenbeckens wurde. Die Bedeutung kam in erster Linie in der Rolle zur Geltung, die sie bei der Vermittlung und in der Verteilung der diversen Rohstoffe und Produkte spielte (Steinarten, Kupfer, Gold, usw.). Diese Rolle erhält einen noch größeren Nachdruck, wenn man weiß, daß auch die Fundorte des in weitem Umkreis beliebten Rohstoffes Obsidian innerhalb der von uns behandelten Gegend liegen (Zemplén-Gebirge). Hier trafen und kreuzten sich wichtige „Verkehrswege". Es ist daher nicht allzu überraschend, daß ein erheblicher Teil der Änderungen und Wenden des Spätneolithikums mit dem Oberen Theißgebiet in Zusammenhang gebracht werden kann. Einige Etappen des außerordentlich abwechslungsreichen und komplizierten Entwicklungsganges sind infolge der slowakischen Forschungstätigkeit hauptsächlich aus der Ostslowakei, also aus dem nordöstlichen Teil der Großen Ungarischen Tiefebene bekannt geworden. In engem Zusammenhang mit diesem Gebiete haben jenseits der Karpaten die südpolnischen großflächigen Ausgrabungen vom Standpunkt unseres Themas zu überaus hervorragenden Ergebnissen geführt. Die ungarischen Forschungen stehen leider noch zu sehr in den Anfängen, als daß uns die Problematik des Spätneolithikums auf dem behandelten Gebiet in ihrem vollen Umfang bekannt sein könnte. Leider bildet die Keramiktypologie noch immer die wichtigste Grundlage unserer Untersuchungen, obwohl die Keramik in der Gesamtheit des Lebens eine nur untergeordnete Rolle spielte. Dabei steht uns dieses Quellenmaterial auf dem Gebiete vorläufig nicht gerade in großer Menge zur Verfügung, weshalb die Mitteilung unserer darauf aufbauenden Schlüsse nur unter gewissen Vorbehalten möglich ist. Die Grundquellen sind in Ungarn sehr lückenhaft und können sogar sporadisch genannt werden, da bisher kaum einige Grubenobjekte durch Ausgrabungen entdeckt wurden. Mehrere Fundorte sind nur durch vereinzelte Keramikbruchstücke vertreten. Trotz des abwechslungsreichen slowakischen Fundmaterials, das der Tätigkeit von K. Andel, J. Vizdal, und S. Siska zu verdanken ist, sind im Hinblick auf unser bescheidenes ungarisches Quellenmaterial unsere Kenntnisse zwar noch ungenügend, aber dennoch zeichnen sich bereits die Konturen gewisser Tendenzen im Entwicklungsprozeß des Spätneolithikums des Oberen Theißgebietes ab. Diese Ansätze versuche ich zu systematisieren, ohne meinen Lösungsversuch für einen endgültigen zu halten. Ich sehe meine Studie eher als eine Summe von Thesen an, die die Ergebnisse zukünftiger Forschungen, vor allem großflächiger Ausgrabungen, ausfüllen werden. 1. Die erste große Wende nicht nur der materiellen Kultur, sondern des ganzen Kulturhabitus ist nördlich von Bodrog und Theiß in einer verhältnismäßig schmalen Zone mit dem Erscheinen der Theiß-Kultur zur Geltung gelangt. Die Wende zeigt die erkleckliche Abnahme der Zahl der Siedlungsorte an. Vergleicht man die Fundorte der Theiß-Kultur bzw. ihre Zahl mit der der vorangegangenen Bükk-Kultur, so ist die Wende augenfällig. Die gegenwärtig bekannten mehr als hundert Fundorte der Bükk-Kultur und der späten ALBK (Alföld-Linienbandkeramik) (KALICZ-MAKKAY 1977., SISKA 1989.) hat die TheißKultur in der nördlichen Zone von Theiß und Bodrog nur mit 12 selbständigen bekannten Fundorten eingenommen, und zwar so, daß in dem nördlich der schmalen Zone der Theiß-Kultur liegenden riesigen Gebiet andere Fundorte ähnlichen Alters unbekannt sind. Die einzigen Ausnahmen bilden vielleicht Izkovce, das zur Grenze der genannten Zone in enger Beziehung steht, jedoch - wie wir nachstehend sehen - in den Kreis einer anderen Kultur, in den Kreis der frühen Lengyel-Kultur gehört (VIZDAL 1986.a. 305-312.), sowie Vel'ké Raskovce, wo während der neueren Ausgrabungen mit weniger Stichbandkeramik auch einige Theiß-Scherben vorkamen (VIZDAL 1986.b.Abb. 2.3-4,6-8., Abb. 6.5., Abb. 11.6.). Das Siedlungswesen hat also eine radikale Veränderung durchgemacht. Wenn man - mit Recht - die Unbewohntheit des nördlich der TheißZone liegenden riesigen Gebietes bezweifelt, so bieten sich für die Erklärung des Mangels an Fundorten zwei Erklärungen: entweder haben hier spätmittelneolithische Gemeinschaften noch eine Zeitlang neben der Theiß-Kultur und parallel zu ihr gelebt, oder dieses Gebiet war von einer bisher unbekannten spätneolithischen Bevölkerung besiedelt. Leider fehlt es zur Entscheidung dieser Frage noch an Beweisen jeder Art. Die Forschungslücke spielt eine grundlegende Rolle. Die Keramik der aufeinander folgenden Kulturen (Bükk, ALBK einerseits und Theiß andererseits) ist so fundamental verschieden, daß eine einfache Umwandlung aus der späten ALBK und Bükk-Kultur in die Theiß-Kultur unvollstellbar scheint. Das Erscheinen der Theiß-Kultur im 264 Jósa András Múzeum Évkönyve 1994