Verba Andrea: Séma 2. Vincze Ottó kiállítása. Szentendrei Képtár, 1998. október 20 - 1999. január 31. (Szentendre, 1999)

Erinnerungsbild vor der Fläche und konturiert so etwas im gegebenen Raum, was nicht vorhanden ist. Wahre Animation: „Wie ein in meinem Schädel laufendes Rundkino". Das ist ein Hinweis, oder aber auch ein gutes Zitat, Irgendwo zwischen noch und schon. Wenn die unendlich geduldvolle, präzise Ausführung als wichtiges Schöpfungselement nicht ins Auge stechen würde, könnte man auch von konzeptuellen Geistigkeit sprechen. Aber es sieht so aus, als wenn hier doch nicht davon die Rede ist. Die absichtlich reduzierten Mittel, die kühle Eleganz der musterartigen Zeichnung gesellt sich in diesem Fall mit bizarrem Gefühl dazu. Das wenige, das Ottó Vincze sehen bzw. erscheinen läßt, ist sowohl in seinem Material als auch in seiner Objektivität vielsagend. Die sorgfältig aus­gewählten Ergänzungen, die glatte, wasserabweisende Oberfläche der Kunst- oder imprägnierten Stoffe und deren weicher Fall zitieren die Intimität der Haut. Ihrem Charakter entsprechend machen sie auf jenen Widerspruch aufmerksam, der den Menschen in jeder ähnlichen Grenzsituation in seinen Bann zieht. Die meisten Werke von Vincze haben eine individuelle Oberflächenspannung. Der mit der Muster- und Maßnahme versehene Grundzustand, die mit wissenschaftlichen Daten maskierte Grausamkeit und Absurdität der zitierten Situation ist auch ohne das Vorhandensein der Figur offensichtlich. In der Massenherstellung orientiert sich der Mensch an den Konfektionsmaßen, das entsprechend uniformierte Schnittmuster verbirgt die individuellen Formen, kennt keine Persönlichkeiten, nur Typen. Der normale oder kurze dicke Typ ist eins. Die ohne Kopf dargestellten, an abgemessene Probepuppen erinnernde Figuren bieten mit der Gleichgültigkeit einer Schlachterei ihre Waren an. Und doch nicht. Den mit steifer Eventualität stehenden Figuren wird durch die mit unbedingter Treue zum Muster anhängliche Ausgestaltung sanfte Anmut verliehen. Die Welt der Schnittmuster ist übersichtlich und durchsichtig. Die einfachen Linien umschreiben die Form mit der dem Meister entsprechenden Nüchternheit. Der planmäßige Idealismus des abgesteckten Arbeitstempos ist nur aus einer bestimmten Entfernung auf der Tat zu ertappen. Das Absurde schwebt als befestigtes Bild nur einige Zentimeter über der Erde. Vielleicht ist es deswegen nicht zu erklären. Absichtlich schematisches Menschenbild und minuziöse Gegenstandsliebe. Was bedeutet das? Wo ist die Vitalität der schon von Barcsay geformten monumentalen Frauenfiguren und der von den Balogh- und Deimbildern bekannten beweglichen Puppen? Dort sind die Puppen trotz ihrer Unpersönlichkeit die Träger eines allgemeinen und ständigen menschlichen Wertes. Bleibt für uns nur noch irgendein sicherer Punkt im Verhältnis zwischen dem Zeichen und der Bedeutung? Kann man noch in der entleerten und verbrauchten Form und dem Charakter des Wortes irgendeine Beständigkeit, eine greifbare Anwesenheit entdecken, die im Gegensatz zum Vergehen der Zeit mit sich selbst identisch bleibt? Ottó Vincze pinnt vorläufig mit der Leidenschaft eines Sammlers die schönsten Stücke seines Musterbuches an die Wand. Die Verewigung, das Festhalten des vergehenden Augenblickes ist auch für ihn als Idee lebenswichtig. Es stimmt zwar, daß die Installation als Kunstwerk in Raum und Zeit eine ziemlich zerbrechliche Existenz ist, aber ihr Raum ist vielleicht eben darum mit der schwach herben Atmosphäre der Ironie und Nostalgie angereichert. „Lebt die Kunst noch?“ - auf diese Frage kennen die ätherischen Torsofiguren der leichtkonstruierten Installationen die Antwort. Das Geheimnis zieht für einige Wochen in den Ausstellungssaal ein, ist zu umgehen, niederschreibbar, aber nicht zu berühren. So nah es auch ist, die Entfernung bleibt trotzdem bestehen. Es ist unberechenbar, doch seine Sirenenstimme und sein zahmes Lächeln wird uns noch lange begleiten. 14

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