Verba Andrea: Séma 2. Vincze Ottó kiállítása. Szentendrei Képtár, 1998. október 20 - 1999. január 31. (Szentendre, 1999)
Die Werke von Ottó Vincze „Eines Tages, anscheinend ohne Grund, ich könnte fast sagen gegen mein Interesse, fand ich mich in Paris: den Gare du Nord und Gare de l'Est verlassend, erreichte ich einen Platz mit dörflichem Aussehen, wo sich der Gare du Midi erhob. Ich kann dieses seltsame Gefühl nicht niederschreiben, das dieses anscheinend verlassene Gebäude auf mich ausübte, mit seinen hohen Dach, Ziegel- und Steinwänden, allen seinen geschlossenen Festem, und auf seinem Giebel standen mit einfachen, vergoldeten Blechbuchstaben die folgenden Worte: Gare du Midi. Hinter dem Gebäude nirgends eine Eisenbahnschine, keine Bewegung. Mit welchem Sinn der Gedankenverwirklichung gelangte dieser nutzlose und unmögliche Bahnhof dorthin und warum wurde für mich die Straßenkreuzung der Erinnerungen für Paris an diesen Punkt gebaut?“ (Gaston de Pawlowski: Reise in das Reich der vierten Dimension)1 Die Reise, das Fern-Sein ist in irgendeinem Sinn immer ein Abmessen. Das Verlassen der Heimat, der Landschaft, in der man aufwuchs, und in einer neuen, bislang unbekannten Welt die innere Stimme finden, die sicher unsere eigene genannt werden kann, ist mit nicht wenig Aufmerksamkeit verbunden. Das ist so ein Abendteuer, das erst nach der Heimkehr zu seiner wahren Bedeutung gelangt. Die authentische Anwesenheit ist vielleicht nur nach dem Erkennen der Entfernung vorstellbar. Das ständige Neuzeichnen der Landkarte ist in diesem Fall ein ermüdendes, aber auf keinen Fall ein als unmöglich zu bezeichnendes Unternehmen. Die Kartographie der alten Mappen hat ihre eigene Patina, die neuen Landkarten werden aus der komplizierten Verstrickung der aufgearbeiteten Vergangenheit und der Zukunft geboren. Ottó Vincze bekam 1996/97 in dem Künstlerdorf Schöppingen in Nordrhein-Westfalen ein Stipendium und aufgrund der Bewerbung beim Künstlerhaus Mecklenburg ab Dezember 1997 bis zum Jahresende eine Einladung in das Schloss Plüschow. Die während der Stipendiumzeit hergestellten Arbeiten, deren größerer Teil aus Installationen besteht, wurden bislang in ungarischen Ausstellungsräumen noch nicht im vollem Umfang ausgestellt. Weil in der von Szentendre inspirierten Kunst von Ottó Vincze ab der Mitte der 90-er Jahre eine bedeutende Änderung zu verzeichnen ist, erscheint es als begründet, daß die in der letzten Zeit hier und im Ausland hergestellten wichtigeren Installationen im Rahmen einer größeren Ausstellung über jene Änderung Zeugnis oblegen. Ottó Vincze stellt seit 1984 regelmäßig aus. Seine früheren Arbeiten waren mit der konstruktiven Richtung der Malerei von Szentendre verbunden, die von Jenő Barcsay geprägt wurde. Das Grundmaterial der Kompositionen von puritaner Klarheit, strenger Formen- und Farbwelt bildete der Motivschatz der serbischen Friedhöfe von Csongrád und Szentendre und lange Zeit waren die Zeichenbruchstücke der archaischen Formen erkennbar (Innerer Schatten)2. Die ihre zeichenartige, aber selbständige Bedeutung langsam verlierenden, eher gestenartigen Formen zerlegten Schritt für Schritt die strenge Geometrie der Werke. Hinter den Zeichentorsen zogen aber, wie im frühen Frühling auf durchnässten Feldern, rohe malerische Farbflecken die Aufmerksamkeit auf sich. Der immer wildere Rhythmus der Reihe auf der geformten Oberfläche der Leinwand erscheinender collagenartiger, applizierter Motive und der keiloder sichelförmigen Gestenzeichen zermahlte das Bildfeld im traditionellen Sinn. Als Ergebnis der bewußten Dekonstruktion wurden die geplagten Formen- und Farbwerke zum Schluß von einer Reihe harmonischer Kompositionen mit transparenter Klarheit, elementarer Geometrie und spielerischer Einfachheit abgelöst. Die Werke dieser Übergangsperiode, auf halbem Weg zwischen Fläche und Raum, analysieren das Verhältnis von Zeichen und Raum. Das schöne Beispiel der hagere Zeichenformen und malerische Fläche ergebenden, scheinbar frei auflesenden Materialbenutzung ist die 1. Diptichon-Formel3, die in dieser Epoche von 1992 entstand. Auf dem 9