Magyari Márta szerk.: A Debreceni Déri Múzeum Évkönyve 2010 (2011)

IRODALOMTÖRTÉNET - Orosz György: A mi Urunk Jézus Krisztus legeslegszentebb nyelvének tisztelete a magyar és a német keresztény népi jámborságában

180 OROSZ GYÖRGY György Orosz DIE VEREHRUNG DER ALLERHEILIGSTEN ZUNGE UNSERES HERRN JESUS CHRISTUS IN DER UNGARISCHEN UND DEUTSCHEN CHRISTLICHEN VOLKSFRÖMMIGKEIT Dank der Kreuzzüge, im Laufe derer die westlichen Kreuzritter und die gemeinen Soldaten sowie die Pilger die historischen Stätten der Passion Christi kennen lernten, wandelte sich das bis dahin noch vorwiegend an­tike Christusbild des am Kreuz herrschenden Königs zu dem des Leidens­knechtes, so dass das Menschliche an ihm von nun an im Christentum mehr in den Vordergrund trat. Das neue, nun schon wirklich christliche Bewusstsein der Menschen suchte nach eigenen geistigen Ausdrucks­formen. Infolge dessen kam die christliche Volksfrömmigkeit im Spät­mittelalter zustande. Die meist gepflegten Frömmigkeitsformen waren Rosenkranz, Kreuzweg, Reliquienverehrung und Wallfahrt. Ein wichtiges Anliegen des spätmittelalterlichen Glaubenslebens zeigte sich in der ars moriendi, jener Fähigkeit von Reichen und Armen, Hohen und Niedrigen, in christlicher Ergebung sterben zu können. In der spätmittelalterlichen Religiosität war die Marienverehrung dominierend. Die Volksfrömmig­keit hat eine wichtige die Liturgie ergänzende Funktion, indem sie den Gottesdienst an den Werktagen (Volksbräuche) verlängert und das all­tägliche Leben mit Gott verbindet. In den mehr ungebundenen Formen der Volksfrömmigkeit kann der Glaube persönlicher als in den gebunde­nen Formen und den anspruchsvolleren Texten der Liturgie zum Ausdruck kommen. Beginnend mit dem Mittelalter, sogar seit früherer Zeit, steht die Passion von Jesus im Mittelpunkt der Volksfrömmigkeit. Die Passi­onsmystik ist in engerem Sinne die Erfahrung des Erlösungsgeheimnisses von Jesus aus Gnade. Die Passionsgebete haben die Aufgabe, den für die sündige Menschheit erlittenen Qualentod Jesu Christi zu vergegenwärti­gen und in dem Betenden das Schuldbewusstsein wachzurufen: Auch er ist für den Qualentod des Messias verantwortlich, auch für ihn hat Gottes Sohn am Kreuz gelitten. Christus als Leidensknecht (Vir dolorum) wird in der östlichen Kirche seit dem 12. Jahrhundert dargestellt. Dieser Darstel­lungstyp von Christus wird oft mit dem der Gestalt Marias als Schmer­zensmutter (Mater dolorosa) in Parallele gestellt. In manchen Texten der gedruckten sakralen populären Lesestoffe der Volksfrömmigkeit erscheint die besondere Verehrung der göttlichen Körperteile, die das Ziel verfolgt, die Gnade durch die zweite göttliche Person, also Jesus Christus und die Gottesgebärerin Maria sowie die Gestalten der Heiligen zu erlangen. In den religiösen populären Lesestoffen kommt auch die Verehrung eines bestimmten Körperteils von Jesus vor. Die kanonischen Evangelien be­richten über die Folterung Christi vor dem Kreuzestod sehr wortkarg. In der ungarischen Volksfrömmigkeit gibt es einen Text, der Folgendes er­zählt: Die Häscher drückten Jesu Kopf zu Boden. Der eine von ihnen knie­te auf ihn nieder und stach einen Dorn aus der Dornenkrone in die Zunge des Messias. Dann soll der Teufel gesagt haben, wer von Gott eine große Gnade verdienen will, soll diesen Dorn verehren und die Erde statt dessen küssen. Ein anwesender Jude zog aus Barmherzigkeit den Dorn aus der Zunge von Jesus und warf ihn weg. Der Dorn war wie von der Erde ver­schlungen. Aller Wahrscheinlichkeit nach entwickelte sich die Verehrung der verwundeten Zunge des Heilands, unbedingt unter dem Einfluss des deutschen Volksbarocks, aus dieser Legende. Die ungarische Folkloristin Zsuzsanna Erdélyi verschaffte sich im Jahre 1974 im Dorf Gálosfa (Ungarn, Komitat Somogy) während ihrer volkskundlichen Sammelarbeit auf die­sem Gebiet einen deutschsprachigen mit Fraktur gedruckten religiösen populären Lesestoff mit dem Titel „Zwei geheime Leiden Mariens". Er be­inhaltet auch das Motiv der Verehrung der verwundeten Zunge von Je­sus. Die genannte Folkloristin beschenkte mich irgendwann in den 1990er Jahren mit einer Fotokopie dieses gedruckten Stoffes. In meinem Aufsatz analysiere ich gründlich vom theologischen Gesichtspunkt aus die zwei miteinander inhaltlich verbundenen Texte der „Zwei geheimen Leiden Mariens", die ich ins Ungarische übertragen habe mit der Absicht, diesen populären Lesestoff für die Menschen zugänglich zu machen, die Deutsch nicht können und die durch Meditation einen seelischen Kontakt mit der Heiligen Jungfrau Maria und dem Gottessohn selbst, Gott, also unserem Herrn Jesus Christus, erstreben möchten.

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