A Debreceni Déri Múzeum Évkönyve 2007 (Debrecen, 2008)

Történettudomány és művelődéstörténet - Orosz György: Énekeljetek az úrnak minden föld. A „Mesterek mestere” katekizmusi ének a római katolikus és az ortodox vallási kultúrában

György Orosz SINGET DEM HERRN ALLE LÄNDER Der katechisierende Gesang „Meister der Meister" in der römisch-katholischen und orthodoxen religiösen Kultur Der Bischof Eucherius von Lyon, der nach seinem Tode heiliggespro­chen wurde, verfasste um 486 ein Buch mit dem Titel „Das Buch der Re­geln des spirituálén Lebens" (Über formularum spiritalis intelligentiae). Dessen 11. Kapitel heißt „Von den Nummern" (De numeris). Das letztere ist eine Kettenzahlenreihe von 1 bis 1000, in welcher die Glieder durch die logische Reihe der Zahlen verbunden sind. Den einzelnen Zahlen ordne­te Eucherius Glaubenssätze und Geschehnisse aus dem Alten und Neuen Testamentzu. Die Schrift „Von den Zahlen" warfür hochgebildete Kleriker bestimmt, weil man über gründliches theologisches Wissen verfügen und bibelfest sein musste, um die mystische Bedeutung der Zahlen verstehen zu können. Später wurde sie von Mönchen oder Priestern strukturell und inhaltlich vereinfacht, in Versform umgestaltet und mit Melodie versehen. Auf solche Weise entstand das katechisierende Lied, das sich in der gan­zen chrislichen Welt verbreitete und dessen Textvarianten in vielen euro­päischen Sprachen bezeugt sind. Es diente von Anfang an der christlichen seelischen Mission: Sie verfolgte die Zielsetzung, die Neophyten mit den grundsätzlichen Glaubenswahrheiten bekannt zu machen und sie ihnen beizubringen. Der Gesang prägte den Neuchristen auf suggestiv-künst­lerische Weise den Gedanken ein, dass es nur einen Gott gibt und er der Anfang und das Ende ist, weil derText immer mit derfolgenden Zeile be­ginnt und auch endet: „Gott ist eins." Dasselbe katechisierende Lied dien­te auch zur Unterhaltung. Es wurde in den Refektorien von Mönchen und Priestern, aber auch von Erwachsenen und Kindern bei Volksfeiern, Hoch­zeiten, Trauergelagen und anderen vergleichbaren Gelegenheiten gesun­gen. Die Zahl der Fragen und Antworten bewegt sich in den christlichen Textvarianten zwischen 1-12, in den jüdischen Fassungen zwischen 1-13 und in den islamischen zwischen 1-14. Aber im Falle der beiden letzteren Religionen sind den Zahlen ihre eigenen Glaubenssätze und -lehren zuge­ordnet; außerdem haben die jüdischen und islamischen parallelen Lieder mit der Schrift „Von den Zahlen" des Bischofs Eucherius, was ihre Herkunft betrifft, genetisch nichts zu tun. Das Hauptmerkmal des Strophenbaues des christlichen Gesanges besteht darin, dass die einzelnen Antworten von der zweiten Antwort an bis zur letzten in umgekehrter Reihenfol­ge immer wiederholt werden derart, dass jede einzelne Strophe mit der Antwort auf das „was ist eins?" endet. Und diese Antwort lautet: „Gott ist eins, der gute Gott, der ewig lebt bis in alle Ewigkeit. Amen." Der kate­chisierende Gesang war ein wichtiges und beliebtes Mittel der religiösen Erziehung sowohl im Mittelalter als auch in der Neuzeit. Die älteren Mön­che der Benediktinererzabtei zu Pannonhalma kennen und sangen ihn im 20. Jahrhundert als Seminaristen an Faschingsveranstaltungen im Kloster untereinander, aber auch mit den Schülern des Gymnasiums ihres Ordens zu solchen Gelegenheiten oder zu anderen Feiern. An der Griechisch-Ka­tholischen Theologischen Hochschule namens Sankt Athanas in der Stadt Nyíregyháza (Komitat Szabolcs-Szatmár-Bereg) vererben die älteren Se­minaristen den katechisierenden Gesang mit der Anfangszeile „Meister der Meister. .." auf die jüngeren. Aber sie singen ihn auch zu lustigen Ge­legenheiten, weil es sich nicht ziemt, dass die Kleriker Zech- und Liebes­lieder vortragen. Das katechisierende Lied hörte auch in unsererZeit nicht auf zu existieren und wird heutzutage wie früher sowohl von Mönchen und Priestern als auch von Laien gesungen; unter anderem in den kirchli­chen Grundschulen und Gymnasien im Rahmen der Religionsstunden und an den Faschingsveranstaltungen. In meinem Aufsatz stellte ich den For­schern die Schrift „De numeris" des Bischofs Eucherius, wenn auch sehr gekürzt, in lateinisch-ungarischer Version zur Verfügung und erweiterte das Inventar der Textvarianten des katechisierenden Liedes mit einem pa­rallelen russischen geistlichen Volksgesang mit dem Titel „Evangelisches Lied" (Jevangelistaja pesn') in Originalsprache und in der von mir verfer­tigten ungarischen Übersetzung. Dieser russische geistliche Volksgesang ist westlichen Ursprungs und kann zu dem Urtypus, also der Schrift „Von den Zahlen" des Bischofs Eucherius zurückgeführt werden.

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