A Debreceni Déri Múzeum Évkönyve 1979 (Debrecen, 1981)

Történelem - Székely György: Die Umwandlung des europäischen Siedlungsnetzes im 16–19. Jahrhundert und Ungarn

Wahrscheinlichkeit nach auch der schon betagte Lucas Cranach d.Ä. gehörte. Wohl auch aus diesem Grunde, wurde er 1542 — obwohl mit Pelzkragen und pelzgesäumtem Gewand angetan — noch immer mit der Palette und Pinseln in der Hand dargestellt und in der In­schrift Herr Lucas Cranach, Bürgermeister und Maler der kurfürstlichen sächsischen Haupt­stadt zu Wittenberg genannt. Demnach stieg die Stadt in der Rangliste nicht durch ihre bürgerliche Entwicklung, sondern dadurch, daß sie als fürstliche Hauptstadt zählte. Aus dem gleichen Jahr gibt es in dieser Kleinstadt auch eine Information über einen anderen Pol der gesellschaftlichen Schichtung: die Zahl der Gesellen, der Diener und Dienstmädchen, der männlichen und der weiblichen Tagelöhner sowie der Lohnarbeiter betrug 466 in Wit­tenberg. Der bürgerliche Besitz und die Familientradition als Künstler vermochten es, den Erben auf der gesellschaftlichen Rangleiter weiter nach oben zu heben: Lucas Cranach d. J. (gestorben 1586) war schon Ratsherr, Bürgermeister und Großgrundbesitzer. 12 Noch deutlicher wird der Aufstieg der Familie, wenn man sein Augenmeik nicht nur auf die früheren Generationen der Familie, sondern auch auf die Veränderungen in den Siedlungsorten lenkt. Der Lauf war nämlich folgender: Der Großvater (Hans Cranach) war in Kronach, einem abgelegenen Städtchen, Zunftkünstler, der Vater, Lucas Cranach d.Ä., war vermögender Künstler und Besitzer eines Malerkabinetts in einer Universitäts­kleinstadt, während sein Sohn, Lucas Cranach d. J., Besitzer eines Malerkabinetts und Großgrundbesitzer in einer „Hauptstadt" war. Den Aufstieg unterstützten also nicht nur der Umzug nach Wittenberg, sondern auch die Entwicklung der Rolle dieser Stadt, somit war auch der Käuferkreis gesichert, denn schon im Jahre 1505 arbeitete Lucas Cranach d.Ä. für Friedrich den Weisen. So konnte sich auch in der kleinsten Stadt aus dem Hand­werk die Kunst entwickeln, um sich dann über Generationen hinweg — so wie das Zunft­handwerk — weiterzuvererben. Natürlich hängt das Niveau hierbei in erster Linie von der individuellen Begabung ab. Es darf darum nicht verwundern, daß in einer Kleinstadt wie in dem einst in der Hand des Mainzer Kurfüstentums gewesenen Seligenstadt , ein so her­vorragender Künstler lebte und wirkte wie kein anderer als Meister Mathis, das heißt Grünewald, der in den Jahren 1501 bis 1525 hier tätig war. Auch im Leben Grünewalds zeigte sich die Möglichkeit für einen gesellschaftlichen Aufstieg in der gleichen Form wie bei Cranach: Meister Mathis wurde Hofmaler des Mainzer Kurfürsten. Da er sich aber in den Bauernkrieg einschaltete, erlitt seine Künstlerlaufbahn einen Bruch: Er mußte Seli­genstadt verlassen, und selbst die Stadt mußte eine Strafe für ihr bürgerliches Verhalten erleiden, indem sie ihre Freiheiten und Rechte einbüßte. 13 Durch den Ausbau des Absolutismus im deutschen Kleinfürstentum, die Heraus­bildung kultureller Mittelpunkte der Reformation sowie durch das glückliche Aufeinan­dertreffen der Agglomeration von Siedlungen erhielten einige Ortschaften einen schnellen Aufschwung, obgleich eine derartige Entwicklung oftmals durch die kleinstädtische Zerteilt­heit und das Festhalten an Selbständigkeit verlangsamt wurde. Lucas Cranach d. J. erklärte sich bereit, an der Fertigung eines Altarbildes für die Stadt Colin an der Spree mitzuwirken (1537—38). Diese Stadt war und blieb vorerst noch eine selbständige Siedlung neben Berlin. Auch das Berlin-Panorama von Caspar Merian aus dem Jahre 1652 zeigt neben dem größe­ren und mit Gebäuden reicher bestückten Beilin (wo das Stadthaus, die St. Nikolai, Ma­rien- und Heiligengeist-Kirchen sowie die alte Münze zu sehen sind) auch die Stadt Cöln (mit eignem Stadthaus). Die ständig vorhandene Holzbrücke ist aber auch hier schon ein Ausdruck für die Verbindung. Daß dem Absolutismus bei der Verschmelzung dennoch 12 Heinz Lüdecke : Lucas Cranach der Ältere im Spiegel seiner Zeit (Berlin, 1953) S. 15, 17, 20—21, 38, 42, 138; Tafel 16 und 20.; Lucas Cranach der Ältere. Der Künstler und seine Zeit. (hrsg. von Heinz Lüdecke. Berlin, 1955). S. 13.; Walter Scheidig: Urkunden zu Cranachs Leben und Schaffen (in: Lucas Cranach der Ältere. Der Künstler und seine Zeit. hrsg. von H. Lüdecke) S. 164—167. 13 Johannes Jahn: Der Weg des Künstlers (in: Lucas Cranach der Ältere. Der Künstler und seine Zeit. Berlin, 1953) S. 22.; Daten zur Cranach-Biographie (s. dort) S. 10.; Heinz Lüdecke : Lucas Cranach der Ältere im Spiegel seiner Zeit (Berlin, 1953) S. 9, 84, 88—89.; Walter Scheidig: Ur­kunden zu Cranachs Leben und Schaffen (in: Lucas Cranach der Ältere. Der Künstler und seine Zeit. Berlin, 1953) S. 156.; Heinrich Winter: Das Bürgerhaus zwischen Rhein, Main und Neckar (Tübingen, 1961) S. 206, 215. »• 87

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