A Debreceni Déri Múzeum Évkönyve 1968 (Debrecen, 1970)

Tóth Endre: Die Briefe von Gábor Oláh an Endre Gyökössy

Endre Tóth Die Briefe von Gábor Oláh an Endre Gyökössy Der bekannte Dichter der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts Gábor Oláh befreundete sich 1901 mit Endre Gyökössy. Oláh war Debrecener Ursprungs, und kam im vorhergehenden Jahr nach Budapest, wo er die ungarische und lateinische Sprache und Literatur an der Philo­sophischen Fakultät der Universität studierte. Gyökössy, der gleichfalls von dichterischen Ambi­tionen getrieben war, wurde zu gleicher Zeit Jurist in Debrecen. Die jüngeren und noch in Deb­recen studierenden Dichtergenossen von Oláh, Gyula Madai, József Gulyás und Mihály Baja, der als Theologe nach Debrecen kam und dichterische Erfolge hegte, schlössen bald Freundschaft mit Gyökössy. Madai und Gulyás sprachen ihren Freunden mit gewisser Ehrfurcht von Gábor Oláh, dessen Gedichte und Feuilletons immer öfters in den Budapester Zeitungen veröffentlicht wurden. Als Oláh im Juni 1901 in seine Vaterstadt zurückkehrte, empfingen ihn die vier Dichter­freunde mit grosser Begeisterung. Sie verbrachten die Ferien meistenteils mit Plänen für die Zukunft, Diskussionen und dem Vorlesen ihrer dichterischen Produkte. Sie entschlossen sich, einen dichterischen Bund unter dem Titel „Bokréta" (Blumenstrauss) zu schliessen, ihre Gedichte in einem gemeinsamen Band herauszugeben und einander auf der „holperigen" dichterischen Laufbahn in aller Hinsicht zu unterstützen. Ihr gemeinsames Ideal war damals der sog. „nationale Klassizismus". Sie verwarfen die moderne „kosmopolitische" Richtung von Komjáthy-Reviczky und wollten zur Quelle der volksnationalen poetischen Richtung zurückreichen, die in ihren Augen von János Arany vertreten wurde. Nach dem Beispiel Oláhs setzten auch die Mitglieder des Dichterbundes „Bokréta" ihre Universitätsstudien in Budapest fort. Oláh kam nach dem Abschluss seiner Studien 1904 nach Debrecen zurück, wo er als Bibliothekar angestellt wurde. Hier fand er keine Partner von gleicher Gesinnung und deshalb schrieb er seine Briefe mit verständlicher Nostalgie an seine Freunde, vor allem an Gyökössy. In den Briefen kommt ein reges Interesse für alles zum Ausdruck, was im literarischen Leben oder im Kreise der Universität geschah. Zugleich gab er einen Bericht über seine dichterischen Pläne, Erfolge und Misserfolge. Aus den Briefen wurde klar, dass Gábor Oláh auch um die Jahre 1905—1906 der Anhänger der nationalen Richtung war. Aber die ideelle Unsicherheit seiner dichterischen Überzeugung kam schon hie und da zum Ausdruck: wenn es sich um die Literatur handelte, nahm er auf der Seite der national-konservativen Richtung Stel­lung. Zu dieser Zeit übersetzte er eines der aufregendsten Dramen Ibsens, Rosmersholm, sogar begeisterte er sich für Gerhart Hauptmann. Die Briefe Oláhs sind künstlerisch gute, fast bewusst komponierte literarische Werke, manch­mal meisterhafte Stilübungen. Oláh berichtete konkret, farbig über seine Erlebnisse, seinen Ge­mütszustand und seine kunstfeindliche Umgebung. Der Leser bekommt eine Art Selbstgeständnis vom vielseitigen, produktiven Schriftsteller, der von massloser Ambition und schon damals von widerspruchsvollen Überzeugungen beseelt war. Die Sprache der Briefe ist voll von Wendungen und aufrichtigen Bemerkungen. Oláh benützte gern charakteristische Worte, Sprüche der Mund­art von Debrecen. Die Briefe wurden in Mehrheit während der Zeit 190f> —1906 geschrieben. Nach dieser Zeit wurden sie immer spärlicher. Ihre Stimmung wurde immer weniger ausgeglichen, kälter, manch­mal unfreundlicher, was mit den Kämpfen und er Krankheit des Schriftstellers zusammenhing. Oláh stand um diese Zeit — 1907—1908 — schon unter dem Einfluss der Poesie von Endre Ady, der sich plötzlich einen vornehmen dichterischen Rang in der ungarischen Literatur erkämpfte; Oláh suchte nach Verbindungen mit der Zeitschrift „Nyugat" (Westen) und mit den fortschritt­lichen Kreisen der ungarischen Schriftsteller. Die Beziehungen zu den Dichtern des „Bokréta" fand er zu dieser Zeit schon lästig. Im letzten Stück der hier veröffentlichten Briefe sagte er offen aus, dass die Ideenwelt des Dichterbundes „Bokréta" schon sehr weit von seiner Gesinnung stand. Die hier zuerst herausgegebenen Briefe bieten eine Anzahl der unbekannten und wertvollen Beiträge nicht nur zur Biographie von Gábor Oláh, sondern auch zur Literaturgeschichte der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. 612

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