A Debreceni Déri Múzeum Évkönyve 1965 (Debrecen, 1966)
Tanulmányok - Tóth Béla: Pál Gulyás
Béla Tóth Pál Gulyás Die Dichtung von Pál Gulyás ist durch eine gewisse Doppelheit sowohl vom Gesichtspunkt der Entwicklung,wie auch der Struktur aus charakterisiert. Das ist einerseits auf seine Herkunft — er stammte teils aus einer Bauernfamilie, teils aus einer Lateiner-Familie, von einem robusten, energischen Vater und von einer zärtlich aufgebauten Mutter — andererseits auf die Umstände zurückzuführen ; die Doppelheit wurzelte hauptsächlich in seiner individuellen Beschaffenheit. Die Worte Kölcsey passen auch auf ihn: ,,Er gehörte nicht dieser Welt an." Sein gebrechlicher Körper, seine starkranken Augen, seine beständige geistige Gespanntheit ernährten noch mehr seine Sehnsucht nach der wirklichen Welt, aber sie befähigten ihn nicht, sie zu erfassen. Von der ersten Minute seines dichterischen Schaffens an war etwas in ihm, das ihn in die Richtung des Abstrakten, der letzten Ideen zog, aber auch die frische, staunende Wahrnehmung der tausend winzigen hübschen oder rohen wilden Tatsachen des Lebens (Testvérgályák — Brüder-Galeeren, Misztikus ünnepi asztal — Mystischer festlicher Tisch) ist bei ihm vorzufinden. Seine dichterische Entwicklung schreitet von diesen letzteren her gegen das Reich der Ideen hin. Immer mehr entfaltet sich das Gefühl in ihm : die Natur gilt als Darsteller gewaltiger unpersönlicher Kräfte. Seine höchste Bestrebung besteht sowohl im Leben, wie auch in der Dichtung aus der Zielsetzung, sich mit diesen Kräften zu vereinen, die Welt, hauptsächlich Debrecen der Macht dieser Kräfte zu unterwerfen, mit Hilfe der kleinen Erscheinungen der Natur, — mit Hilfe der Bäume, Gräser, Vögel — das Universum, das Abstrakte mit Hilfe des Konkreten auszudrücken. Mit diesem Verhalten wollte er die zu literarische, formale Richtung der Zeitschrift,, Nyugat (Westen)" begleichen und ein tieferes, umfassenderes, zielbewussteres, literarisches Leben in Debrecen bzw. in seiner Umgebung zu schaffen (Búcsú a mestertől — Abschied vom Meister). Diese Bestrebungen kommen in seinen Gedichten, Studien (Költők sorsa Debrecenben — Das Schicksal der Dichter in Debrecen), u. a. auch in der Gründung der Zeitschrift „Válasz (Antwort)" in Debrecen zur Geltung. In dieser Richtung ziehen ihn seine Dispositionen an, die historischen Umstände schieben ihn andererseits zurück. Der bedrohende Faschismus, der herannahende zweite Weltkrieg erfüllen ihn mit tiefster Bange bezüglich der Zukunft seines Vaterlandes und der ganzen Menschheit — er erhebt wiederholt seine Stimme gegen sie (Oh balga Archimedes — О, einfältiger Archimedes, Isten követje — Der Bote Gottes, Itáliához — An Italien), und alldies zwingt ihn zur Flucht in die Tiefen seiner individuellen Welt, und die Anfänge der literarischen Volkstümlichkeit dienen ihm als Wegweiser zum Volk. Er versucht die beiden zu vereinen, d. h. der Dichter kommt an den Ufern des Ozeans der Ideen an, aber er geriet hierher durch das Stollen einer charakteristischen Volkstümlichkeit, durch den Tunnel der Mythen. Seine Wegweiser sind vor allem seine beliebte Lektüre, die Kalevala, von der er eine schöne Studie schrieb, und die Welt der urgermanischen Mythen, der Edda. Er strebt an, eine moderne ,,universelle" Volkstümlichkeit:,,mit dem Volk und über dem Volk" auszugestalten. Obwohl seine Vorstellungen durch seine ausserordentlich hohe Bildung, Belesenheit unterstützt werden, kommt auch dem Dorf seiner Ahnen, Tiszadob am nächsten. Sein Versuch bleibt aber hauptsächlich auf ideellem Gebiet, allein auch auf dem Gebiet der Kunst meistens erfolglos : seinen grossen abstrakten Gedankenreichtum kann er mit der Einfachheit, Anschaulichkeit mit dem Niveau der Kalevala nicht zusammenschmelzen. Seine Pläne bleiben mehr Absichten, ohne verwirklicht zu werden. Es gelingt ihm, aber einen seiner individuellen Persönlichkeit entsprechenden Dichtertyp herauszubilden: die moderne Darstellungeines prophetischen, schamanenhaften, vates-artigen Dichtertums zu schaffen, das in seinen von aufgewühlten Gedanken, Visionen und Bildern überfüllten, pathetischen Gedichten zum Ausdruck kommt. Aber er schafft auch seinen der Wirklichkeit anhaftenden Dispositionen entsprechend die dialektische Ergänzung dieses Typs, das Benehmen eines Till Eulenspiegels, der spöttisch und geistreich von einem hohen ideellen As300