Demeter Zsófia - Kovács Loránd Olivér (szerk.): Alba Regia. A Szent István Király Múzeum évkönyve - Szent István Király Múzeum közleményei. C. sorozat 36. (Székesfehérvár, 2007)

Tanulmányok - Régészet - Tóth Endre: In paradisum deducant te angeli… (A székesfehérvári szarkofágról)

Alba Regia 36 (2007) die der Translatio des Teichnams vorangeht.184 Während Festtage der Inventio in den Biographien im Falle von Reliquien und Märtyrerkörpern häufiger vorkamen,185 wurden sie in den Kalendern nur in einigen Fällen erwähnt. Am 3. Mai ist die inventio s. crucis, das Fest der Auffindung des Heiligen Kreuzes durch Kaiserin Helena erwähnt (neben dem Feiertag der Kreuzerhöhung am 14. September, der der Gedenktag der Rückgabe der Reliquie im Jahre 628 ist). Die Auffin­dung der Heiligen Rechte wurde am 30. Mai (inventio s. dexterae), die vom Heiligen Stephan Protomärtyrer im Jahre 415 in Jerusalem am 3. August (neben dem Tag des Heiligen am 26. Dezember) gefeiert. Es ist nicht zu bezweifeln, dass der Feiertag am 11. Oktober den Tag der Auffindung des Körpers von Stephan I. bezeichnet. Wessen gedachte man dann? Das Fest war ohne Zweifel ein örtliches Fest, weil es später aus den Kalendern und Messetexten verschwand. 1083 war aber der Ort des Leichnams bekannt, man konnte nur wegen der Bebauung nicht herankommen. Wenn wir den Wortgebrauch der Kalender betrachten, ist es klar: unter dem Begriff inventio versteht man die Auffindung von aus irgendwelchem Grund verlorenen und verlegten Reliquien. Es geht um die Auffindung von einem Gegenstand, dessen Daseinsort unbekannt ist und dann wird er unter wunderbaren Umständen gefunden. Das aus den Legenden bekannte „Freilegen des Sarges” vor der Heiligsprechung, bzw. die Schwierigkeiten der Öff­nung des Sarges können nicht inventio genannt werden. „Beim Bloßlegen” der sterblichen Überreste des Leichnams geht es nicht darum: der Ort des Grabes war bekannt, nur die Steinplatte konnte nicht hochgehoben werden. Der Fachbegriff für die Ereignisse bei der Heiligsprechung war „die Erhebung zur Ehre der Altäre” (elevatio und transla­tio). Das Fest am 11. Oktober bezeichnet ein Ereignis, das in den Legenden zwar nicht aufgezeichnet wurde, das aber für die Kanoniker der Propstei so sehr wichtig und denkwürdig war, dass sie dessen — unabhängig vom landesweiten Fest — gedachten. In diesem Zusammenhang ist die Meinung von Tamás Bogyay von Bedeutung,186 der einige Zeilen der Legenda minor,187 die sich auf die Zeit nach dem Tod von Stephan I. beziehen, nicht als ein hagiografischer Ge­meinplatz interpretierte: Dann, dass viele fahre vergingen, entweder wegen der sich vermehrten Bosheit im Volk, oder wegen irgendeines Zwiespaltes in der Kirche, war der überaus reiche Sch at^ in der Erde verborgen, versteckt vor der Kenntnis der Sterblichen, und ließ sich allein vor des Derm Augen geigen. (Legenda minor 8.). Die Formulierung kann vom Wortgebrauch der Legenden stammen, aber das Ereignis, das erzählt wird, kaum.188 Besonders der Textteil propter aliquam divisionem in ecclesia kann am wenigstens als irgendeine allgemeine Formulierung interpretiert werden. Der Satzinhalt ist mit den späteren chaotischen Verhältnissen nach Stephans Tod und den Auf­­ruhren der Heiden gut zu vereinbaren, als der Leichnam, aus dem Sarg genommen, verborgen wurde. Dieser Meinung waren sowohl Zoltán Tóth189 als auch György Györffy.190 Die zweifache Beisetzung vor der Heiligsprechung ist mit der Ursprung der Heiligen Rechte gut zu vereinbaren, woraus György Györffy und Konrád Szántó191 die richtige Fol­gerung zogen.192 Györffy dachte daran, dass die sterblichen Überreste 1061 verborgen wurden, als die Rebellen von Johannes, dem Sohn von Vata Székesfehérvár drohten193 und bei dieser Gelegenheit brachte der Custos der Probstei Mercurius die Heilige Rechte auf sein Landgut. Es musste nämlich begründet werden, warum die Rechte bei der Hei­ligsprechung unter den sterblichen Überresten im Grab nicht gefunden wurde. Ich finde, es ist ausgeschlossen, dass die sterblichen Überreste in der Mitte der Kirche, in der von Kralovánszky freigelegten Krypta verborgen worden wären: es bedeutet schon die Neubeisetzung unter ruhigeren Umständen. Wenn wir den Sarkophag für Stephans I. Bestattungsort halten, dann war er in media ecclesiae zu sehen. Es bedeutet auch, dass die gegenwärtig bekannte Kryp­tagrube nicht zur ersten Beisetzung, sondern zur Neubestattung nach dem Verbergen und Wiederfinden gefertigt wurde. Wenn der König im vorhandenen Sarkophag weder direkt vor, noch nach der Heiligsprechung ruhen konnte, dann ergibt sich die folgende Möglichkeit. Stephan wurde in der Mitte der Kirche, im gegenwärtig vorhandenen Sarkophag über dem Gehniveau beigesetzt. Zur Zeit der heidnischen Aufruhre, 1046 oder 1061, hatten die Kanoniker vor der Grabver­wüstung Angst, hoben den Leichnam aus dem Sarkophag heraus und verbargen ihn in der Kirche oder anderswo. Zur Zeit der Konsolidation mussten die sterblichen Überreste gesucht werden, deren genauer Ort aus irgendeinem, heute schon unbestimmbarem Grund nicht bekannt war. Die Inventio am 11. Oktober bedeutet den Tag der Auffindung des Leichnams. Er wurde aber nicht in den Sarkophag zurückgelegt, der im Falle eines neuen Aufruhrs oder einer Gefahr leicht erreichbar und der Leichnam leicht zu vernichten gewesen wäre, sondern vorsichtshalber und wie es sich 184 HF.IN7.RT.MANN 1979,77-81. 185 Heinzelmann 1979,77-78. Bogyay 1972,10-11; 1992. 187 Legenda minor c. 8, Muttis igitur annorum curriculis tabentibus, seu propter exhabundantem populi malitiam seu propter aliquam divisionem in ecclesia, thesaurus tantepecunie in terra latuit et mortalium cognitioni occultus, solius oculis domini apparebat, SRH II 399. 188 Auf die Formulierung wurde auch Varjú aufmerksam (VARJÚ 1930, 377): er meint, dann wäre der Steinsarg vergraben worden. 189 TÓTH Z. 1942,19-22. 190 Györffy 1977,389. I'it SZÁNTÓ 1988,173-174. 192 GYÖRFFY 1977, 389-390. Kralovánszkjf vermutete trotzdem, dass das Grab nicht dann, sondern später geöffnet und die Heilige Rechte herausgehoben wurde: KRALOVÁNSZKY 1988, 170. 153 GYÖRFFY 1977, 385. 157

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