Gunda Béla et al. (szerk.): Ideen, Objekte und Lebensformen. Gedenkschrift für Zsigmond Bátky - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 29. (Székesfehérvár, 1989)

Eszter Kisbán: Aufhahme des Zuckers in die bäuerliche Nahrungskultur in Ungarn

Brei mit Fleisch niemals süß, während beim Milchbrei in der Mehrheit der Fälle (in den gedruckten Brautführerbü­­chem 57%) eigens betont wurde, daß dieser mit Zucker bestreut war. Der mit Honig zubereitete Milchbrei hatte einen viel niedrigeren Prestigewert. Da die städtischen Ar­men bereits im 17. Jahrhundert einen mit Zucker bestreuten Milchbrei aßen, ist es unwahrscheinlich, daß der Zucker auf dem Brei in der Bauernhochzeit erst dann erschienen wäre, als er 1793 erstmals besungen wurde. Andererseits ist mit Bestimmtheit anzunehmen, daß er selbst im 19. Jahrhundert nicht bei jeder Hochzeit zugegen war. In der Zeit um den ersten Weltkrieg ist dann das ganze Milch­breigericht aus der Speisenfolge des Hochzeitsschmauses allmählich gestrichen worden. Eine andere Hochzeitsspeise, die in den Brautführer­büchern als mit Zucker bestreut angekündigt wurde, war der Kuchen. Diesem sind im Brautführerbuch aus Vác (1793) drei Strophen von insgesamt 12 Zeilen gewidmet; in der zweiten Strophe heißt es, der Kuchen sei „innen und außen stark gezuckert“, da aber die Art des Kuchens nicht näher beschrieben wurde, war der Vers in jeder belie­bigen Gegend brauchbar. Im Unterschied zum Brei hatte nämlich der festliche Kuchen regionale Varianten. Der Text kam in handgeschriebenen und gedruckten Brautfüh­rerbüchern gleichermaßen immer wieder vor (insgesamt sechsmal von 1839 bis 19122) und gelangte bis zu den Ost­karpaten (Csűry 19272, 53). In der Periode bis 1914 folgten 8 neue Verse über das gezuckerte Gebäck, verhältnismäßig weniger in der frü­heren Phase (drei bis 1878) und relativ mehr in der späteren (fünf bis 1906). In einem handgeschriebenen Brautführer­buch aus dem Tiefland (1826) wird der Kuchen konkreti­siert: ein gefülltes, mit Rosinen gewürztes Gebäck, welches mit Zucker bestreut auf den Tisch kam. Ein 1868 gedrucktes Brautführerbuch, für eine möglichst umfangreiche Region bestimmt, blieb abermals bei Allgemeinheiten. Um die Jahrhundertwende wurde sein Text in zwei gedruckten Brautführerbüchern übernommen. Mit Verwendung der Verse aus Vác (1793) wurde 1878 im Tiefland ein neuer Text zusammengestellt, der aber in einem gedruckten Brautführerbuch wiederum ein gefülltes, mit Rosinen ge­würztes Gebäck preist. Der Vers wurde allgemein beliebt und kommt insgesamt sechsmal in handgeschriebenen und gedruckten Brautführerbüchern vor. Die neuen Texte aus der Zeit um die Jahrhundertwende beginnen 1899 mit einem handgeschriebenen Brautführer­buch, wo der Kuchen als „mit Zucker und Honig zuberei­tet“ angeführt wird. Es folgen nun gedruckte Bücher: der Vers aus 1900 (Horváth) beschränkt sich auf Allgemeinhei­ten, etwa „Kuchen gezuckert“, in einem anderen (19063 Festő Szabó) ist von einem Strudel die Rede, mit Zucker bestreut; in einem dritten (1906 Reim) stehen schließlich zwei Verse zur Wahl, der eine über den mit Zucker bestreu­ten Strudel, der andere über gezuckerten Kuchen. Was in den Brautführerbüchern nicht derart detailliert geschildert wird, wissen wir aus anderen Quellen, daß nämlich im Tiefland eine der Kuchenarten ein Fladen war, übergossen mit Milchbrei. Wurde nun dieser Kuchen mit Zucker bestreut, so wiederholte man eigentlich nur den gezuckerten Brei in anderer Form. In derselben Periode, von 1793 bis 1914, stehen in den Brautführerbüchern gegenüber 4 neuen Texten über den mit Zucker bestreuten Brei 8 neue Texte über gezuckertes Gebäck. In der Frühphase der Periode liegt der Schwer­punkt der neuen Texte beim Brei, in der Spätphase beim Gebäck. Diese Proportion und diese Chronologie deuten die Richtung der Ausbreitung des festtäglichen Gebrauches von Zucker an, und zwar vom früheren und stärker ver­breiteten süßen Brei zum später vordringenden gezuckerten Kuchen und Gebäck. Bemerkenswert ist immerhin, daß in gar manchen Texten über Kuchen und Gebäck von sicht­baren Zucker, von der Bestreuung mit Zucker gesprochen wird, wodurch gleichsam der noch immer hohe Prestige­wert des Zuckers angedeutet wird. Die den Zucker erwäh­nenden Verse registrierten und propagierten auch zugleich das, was in der betreffenden Periode als „vornehm” oder allenfalls „standesgemäß“ galt und trugen solcherart auch zur Verbreitung des festtäglichen Zuckergebrauches bei. Allerdings war der Zuckergebrauch dennoch nicht voll­ständig; Der Brautführer konnte den Brei oder Kuchen sehr wohl mit einem Vers ankündigen, in dem der Zucker als Requisit genannt wurde, selbst wenn der tatsächlich aufgetischte Brei oder Kuchen in Wirklichkeit gar nicht gezuckert war. In der ersten Phase des Zuckergebrauches der Bauern­schaft wurden also bei hohen Festen solche Gerichte ge­zuckert, die schon seit langem dem bäuerlichen Speisen­system angehörten, nur eben früher ohne Versüßung oder mit Honig zubereitet wurden Die wichtigste Speise des frühen Zuckergebrauches, gleichsam ein Symbol dieser Phase, war der süße Milchbrei, der mit Zucker seit Ende des 18. Jahrhunderts beim Hochzeitsmahl bekannt war, wahrscheinlich aber noch älter ist. In dieser Position hielt er sich bis zum ersten Weltkrieg. Der frühe Zuckergebrauch, ebenfalls in Form der Bestreuung, erstreckte sich auch auf das in Fett gebackene Gebäck und auf den Kuchen, und neben der Hochzeit auch auf andere festliche Gelegen­heiten. Neue Formen der Süßspeisen: Torte und Kaffee bei Bauern­festen Primäre Quellen signalisieren in Ungarn in den 1840/50er Jahren bei den Bauern neue Formen von Süßspeisen, na­mentlich Torte und Kaffee. In einem Bericht aus 1845 über das Hochzeitsmahl in einer westungarischen Dorfgruppe an der Donau heißt es: . selten ist es, daß Torten und sonstiges kostbare Gebäck fehlen” (Réső Ensel 1867, 108). Im Jahre 1840 waren im Dorf Kecel, im Tiefland, im Inventar eines wohl­habenden Bauern mit einem hochmodernen Haushalt 4 Tortenbleche und 3 Backpfannen für Gugelhupf eingetra­gen (Bárth 1984, 304). Diese frühzeitigen Experimente ver­breiteten sich aber noch nicht auf andere Dörfer oder Fami­lien. In Kecel sollte der Gugelhupf erst eine Neuigkeit der 1910er Jahre werden, galt allerdings schon als unentbehr­lich in den Hochzeiten der 1920er Jahre. Mit Creme gefüllt, erschien die Torte gegen Ende der 1920er Jahre auf dem Hochzeitstisch; anfangs wurde nur der Braut ein Stück serviert (Kisbán 1984, 782). Der Verfasser eines für die Bauernhochzeiten des Marktfleckens Dunaföldvár bestimm­ten Brautführerbuches, Abtpfarrer der Ortschaft und oben­drein Mitglied der Akademie der Wissenschaften, schrieb 284

Next

/
Thumbnails
Contents