Gunda Béla et al. (szerk.): Ideen, Objekte und Lebensformen. Gedenkschrift für Zsigmond Bátky - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 29. (Székesfehérvár, 1989)

László Novák: Haufendörfern im Nordwesten der Grossen Ungrischen Tiefebene

zum 15. Jahrhundert keine institutionellen Formen der Leib­eigenschaft gab, im 16. Jh. aber das Grundstücksystem der Leibeigenen — und folglich auch ihre Siedlungsstruktur — nicht mehr festgesetzt werden konnte), und nicht als Folge der verheerenden Türkenzeit oder der dadurch bedingten Konzentration der Bevölkerung und der Siedlungen.(10) Die Struktur der Gartensiedlungen ist eine rationelle Formation, deren Existenz jederzeit durch die Wirtschafts­möglichkeiten beeinflußt wurde; das optimale Wirtschafts­system spiegelt sich darin wider. Außer dem erwähnten Beispiel von Bugyi könnten noch zahlreiche ähnliche Fälle angeführt werden um zu beweisen, daß noch vor der — durch den Urbarialerlaß 1767 bewirkten — Erstarrung des Grundstücksystems die erst soeben wiederbelebte Siedlung­struktur sich auf „natürliche Weise“ zu entwickeln begann : Ungeachtet des ethnischen Charakters (so auch in Alberti, Pilis und Apostag, wo größtenteils Slowaken, zum Teil auch Deutsche angesiedelt wurden) entstand als wirtschaftlich wichtiger Faktor das Gartensystem, die funktionelle Auf­teilung des Siedlungskerns, ebenso auch die „Gärten“ und Herbergen in der Flur, von den kleinen Dörfern wie Alpár oder Kécske(u) bis zu den Siedlungen, Marktflecken mit umfangreicher Flur (z.B. im Zwischenstromgebiet Körös- Maros-Theiß).(12) Daß das auf wirtschaftliche Notwendig­keit zurückzuführende Gartensystem, auch als eine Eigen­art des Tieflandes, eine „natürliche” Formation war, wird auch durch folgendes bekräftigt: Als infolge des Ur­­barialerlasses von Maria Theresia der Versuch unternom­men wurde, die Gärten in den Fluren zu liquidieren, war dieser Versuch in Ortschaften mit umfangreicher Flur von vornherein zum Scheitern verurteilt^13) Hier sei bemerkt, daß wir in den Ortschaften, die auf „nicht natürliche Weise“ entstanden sind, keine Spur des Gartensystems finden. Laut Urbarialerlaß 1767 sollte die Größe des Grundstückes eines Untersassen 2 Preßburger Maß (1 Joch= 1200 Quadratklafter) betragen. Auf dieser umfangreichen Fläche hatten Wohnhaus und Wirtschafts­gebäude sowie auch eine Scheune reichlich Platz; auch die verschiedenen Feldfrüchte usw. konnten hier gespeichert werden. Am hinteren Teil des Grundstückes konnte auch ein Gemüse- und Obstgarten angelegt werden. Die im 18. Jh. durch Ansiedelung geschaffenen Ortschaften entstanden schon nach diesem Prinzip, im Ergebnis ingenieurmäßiger Arbeit. Ein regelmäßiges Straßennetz mit Grundstücken von ebenmäßiger Größe wurde ausgestaltet. Im hier be­handelten Gebiet weisen die Ortschaften Vecsés und Tak­sony eine derartige geregelte Grundstruktur auf.(14) Als in den 80er Jahren des 18.Jh. die Domäne des Religions­fonds die Urbarialregelung der Stadt Cegléd durchführte, wurde 1784 im nordwestlichen Teil der Flur aus den Re­manenzfeldern die Baufläche des Dorfes Bercel abgeson­dert. In die regelmäßigen Höfe von 1/2 Joch Größe zogen deutsche Siedler ein.(15) Scheunen oder Gärten wurden nicht abgesondert. Seinen gartenmäßigen Charakter verlor das Intravillan erst durch die planmäßige Siedlungsregelung, aber nur in den größeren Ortschaften, wo das Gartensystem in der umfangreichen Flur auch weiterhin bestand. Das System des Fruchtfolgewechsels konservierte die funktionelle Geteiltheit des Intravillans sowohl in den großen Markt­flecken, etwa im Hajdúság- und Jászkunság-Gebiet,(16) wie auch in kleineren Dörfern, denn auf den Feldern, die im Fruchtfolgesystem angebaut wurden, konnten keine „Be­triebsstellen“ ausgestaltet werden, während die verschiede­nen „Gärten“ eine zunehmend wichtige Rolle in der Be­triebsorganisation der Bauernwirtschaften spielten. Erst die seit Beginn des 19. Jh. durchgeführte Flurbereinigung bewirkte in den Siedlungen sowohl mit kleiner wie mit um­fangreicher Flur das Ende der Gartenmäßigkeit (etwa: Doppelintravillan), da die in der Flur entstehenden Gehöfte die Betriebsstelle im Dorfinneren überflüßig machten. Am Beispiel der Marktflecken im Hajdúság-Gebiet demonstriert István G y ö r f f y , daß die sog. Stallgärten in die Flur „verlegt“ wurden, wo die als Einzelgehöfte weiter funk­­tionierten.(17) Allerdings stellt diese Behauptung nur eine Teilwahrheit dar, zumal in anderen Teilen der Tiefebene, z.B. im Jászkunság-Gebiet sowie in den drei Städten Kecs­kemét, Cegléd und Nagykőrös, der Garten im Siedlungs­kern gleichzeitig mit dem „Feldgarten“ in der Flur exis­tierte. Im Hajdúság-Gebiet wurden die Felder um die Markt­flecken erst in den des 80er Jahren des 18. Jh. nach dem Sys­tem der Dreijahreswirtschaft aufgeteilt, als in der ganzen aufgeteilt, als in der ganzen Tiefebene auf zentrale Anwei­sung das Fruchtfolgesystem als moderne Wirtschaftsform eingeführt werden sollte. In entlegenen Gegenden (ung. puszta) gab es allerdings provisorische „Betriebsstellen”, meist zur Überwinterung der Tiere, da die wiederkehrende Neuverteilung der prädialen Felder die Errichtung stän­diger Unterkünfte verhinderte. Es ist also richtig, daß sich die Lage der sog. Flurgärten infolge der Flurbereinigung stabilisierte; mit der Neuverteilung der Felder hörte auch der provisorische Charakter auf. Die nun entstehenden Einzelgehöfte schienen anzudeuten, daß sich die Funktion der mit diesem Prozeß gleichzeitig behauten Intravillangärten in die Flur verlagerte. 3. István G y ö r f f y unternahm erstmals den Versuch, das Verbreitungsareal der Gartensiedlungen zu umgren­zen. Als Grenze bezeichnete er die Gratlinie der Mittel­gebirge, in Transdanubien auch die Hügellandschaft bis zur Drau.(19) Letzten Endes nahm Tamás Hofer dieses Gebiet in Betracht, dessen Grenzen er sogar bis auf die Kleine Ungarische Tiefebene ausdehnte.(20) Auch das Beispiel des Dorfes Negyed zeigt, daß die Gartenmäßigkeit des Anbaus eine Eigenart des Flachlandes ist, selbst wenn in diesem Falle die geographische Landschaft die entschei­dende Rolle in der Entwicklung dieses Systems spielte, nämlich im Zustandekommen der Pferche und Stallgärten auf dem Hochufer gegenüber des Haufendorfes, in der Biegung der Waag. Die natürliche Gestaltung der Siedlung wurde also jeweils durch den in Übermaß verfügbaren Bau­grund, den Mangel an natürlichen Hindernissen (Hügel, Berge) ermöglicht. In der wesentlichen Beurteilung des (10) Novák, László 1986a. (11) Novák, László 1979, 498, 510, 540. (12) Novák, László 1986a; Novák, László 1977. (13) Novák, László 1986a. (14) Novák, László 1986a. (15) Novák, László 1982, 169—170. (16) Balogh, István 1954—1955; Orosz, István 1973; Orosz, István 1974; Vgl. Novák, László 1986a; Vgl. Novák, László 1975b; Fodor, Ferenc 1942; Kocsis, Gyula 1978. (17) Györffy, István 1937. (18) Novák, László 1978; Novák, László 1986a. (19) Györffy, István 1937, 79—87; Györffy, István 1943a. (20) Hofer, Tamás 1960, 331—335; Hofer, Tamás 1986. 171

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