Gunda Béla et al. (szerk.): Ideen, Objekte und Lebensformen. Gedenkschrift für Zsigmond Bátky - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 29. (Székesfehérvár, 1989)
Emőke Lackovits: Merkmale der Wohnkultur in ungarischen Dörfern am Neusiedler See vom 18. Jahrhundert bis 1960
Abb. 22.: Fertőendréd. L-förmiges Wohnhaus, zentrale Anordnung Wohnkultur begann zu zerfallen, als auch die für die Gemeinschaft bezeichenden Eigenarten verdrängt wurden (Lackovits 1975). Seit den 1920—30er Jahren begann eine allmähliche, aber offenkundige Veränderung in der Wohnkultur der vier Dörfer, die seit Ende der 1940er Jahre immer größere Ausmaße annahm. Bis zu den 1960er Jahren war die traditionelle Wohnkultur so gut wie abgeschafft, ihre Bruchteile blieben nur mehr im häuslichen Leben erhalten. Von den Wohnhnäusern mit Arkaden, Säulen und Flur blieben in Fertőszéplak nur wenige erhalten, die Bauten mit Zeltdach wurden ganz allgemein. Wo das Althergebrachte noch beibehalten wurde, führte man zweierlei Umbauten durch : entweder wurde der offene Schornstein verschlossen und der Hauptbalken herausgenommen, oder es wurde durch Abmauern des Backofens Platz für eine Speisekammer gewonnen; aus Küche, Hinterstube und Kammer wurden Vorzimmer, Küche, Stube, Badezimmer; die Stube wurde bedielt, die Küche mit Steinplatten belegt. Die Wohnungseinrichtung wurde zunehmend der städtischen Mode angepaßt. Nach dem Ableben der betagten Eltern entledigte man sich des alten Mobiliars; statt dessen wurden Möbel angeschafft, die der jeweiligen Mode entsprachen und meist auch in bürgerlichen Wohnungen zu finden sind. Zunächst kam neben das Bett der Nachtkästchen, dem folgten alsbald Liegesofa, Couch, kombinierter Schrank, Toilette-Tisch mit Spiegel und Fauteuil. Auch einige alten Stücke blieben erhalten: Kommode und Stellage (letztere allmählich durch den Küchenschrank verdrängt). ín den 1960er Jahren erschienen — neben den kombinierten Garnituren — die damals als modern geltenden ,,Varia“-Möbel, die allmählich vorherrschend wurden. In der Mehrheit der Fälle kam in der Einrichtung das zentrale Prinzip zur Geltung, doch auch gemischte Gesichtspunkte kamen vor. Die Feuerungsstätten der vorangegangenen Periode waren um diese Zeit schon nirgends mehr zu finden. In den Küchen funktionierten die Sparherde (in der Mehrheit emaillierte Typen), die in den 1970er Jahren durch Gasherde ersetzt wurden. In der Stube trat an Stelle des Kachelofens der Eisenofen — und sodann — die Ölheizung. In dieser Periode prägten Zier-Gegenstände die Mannigfaltigkeit der Wohnkultur. Als Maßstab der Veränderung galt nun die Proportion der alten und neuen Elemente. Diese blieben gewöhnlich im Einklang mit dem Stil der Wohnungseinrichtung. Hierbei können wir drei Typen unterscheiden : I. In der Wohnungseinrichtung sind die alten Möbel vorherrschend und wurden aus verschiedenen Ursachen durch keine neueren ergänzt. In diesem Falle blieben auch die alten Dekorationselemente erhalten: fabrikmäßig hergestellte Bettdecken verschiedener Farben und Muster, alte Vorhänge, Heiligen- und Familienbilder an der Wand. II. Die Dekorationselemente ergänzten das alte und neue Mobiliar verhältnisgleich. Dies war der zahlenmäßig am stärksten vertretene Typ: alte Tuchdecken, Familien- und Heiligenbilder, Spitzentücher und Vorhänge, gestickte Wanddecken, Zierpölster, Kunstblumen, billige Vasen und Teppiche. III. In den Neubauten, eingerichtet mit modernem Mobiliar, bildeten Heiligenbilder, Statuetten, Kreuzbilder, verschiedene Stickereien und Webereien, Vorhänge aus Nylon, und Topfgewächse die Dekoration. Auch das Leben innerhalb des Hauses erfuhr erhebliche Veränderungen, bewahrte allerdings auch wesentliche Elemente der alten Lebensform. In den Wohnhäusern lebte gewöhnlich eine einzige Familie oder eine ältere Person, der alle Räume des Hauses benützte, wenn auch nich ständig. Der ehemals deutlich trennbare funktionelle Raum behielt die ehemaligen Merkmale nur mehr in Bruchteilen — die Auswirkung der veränderten Lebensweise und der wechselnden Arbeitsverhältnisse ist auch im häuslichen Leben nachweisbar. Das Alltagsleben verlief mit Veränderungen, doch dem alten ähnlich: täglich wiederkehrende Tätigkeiten blieben die Zubereitung der Speisen, das Essen, die Betreuung der Tiere, die verschiedenen Arbeiten im Haus und Hof und die Nachtruhe, zeitweilig ergänzt durch Wäschewaschen, Bügeln, Nähen. Die Ordnung der Mahlzeiten hat sich allerdings verändert, den Hausarbeiten und der Arbeitsteilung ähnlich. Die Zahl der Lagerstätten nahm zu, die Wäsche-waschen wurde mechanisiert. In diesem Prozeß ist eine gewisse Entwicklung, zugleich aber auch eine Verarmung zu beobachten. Besondere feierliche Gelegenheiten sind auch weiterhin mit dem Wohnhaus verknüpft. Manche hängen nach wie vor mit dem menschlichen Leben zusammen: Hochzeit, Taufe (die Niederkunft findet haputsächlich im Spital statt), fallweise Tod und Leichenschmaus. Den anderen Teil der Feste bilden die bedeutungsvollen Tage des Jahres, nur hat 159