Gunda Béla et al. (szerk.): Ideen, Objekte und Lebensformen. Gedenkschrift für Zsigmond Bátky - István Király Múzeum közelményei. A. sorozat 29. (Székesfehérvár, 1989)

Václav Frolec: Die Genesis des dreiteiligen Bauernhauses auf dem Territorium der Tschechoslowakei

DIE GENESIS DES DREITEILIGEN BAUERNHAUSES AUF DEM TERRITORIUM DER TSCHECHOSLOWAKEI Noch im ausgehenden 19. Jahrhundert konnte man in einigen Gebirgsregionen, insbesondere im mährisch-slo­wakischen Grenzgebiet, primitive einräumige Wohn­stätten vorfinden. Diese Behausungen waren jedoch damals — und wie wir aus historischen Berichten und archäolo­gischen Funden wissen — bereits viele Jahrhunderte vorher in keiner Region des heutigen tschechoslowakischen Staats­gebietes eine typische und allgemein verbreitete Form. In rezenten Belegen aus den letzten Jahrhunderten haben wir als grundlegende Grundrisse zwei- und dreiteilige Häuser nachgewiesen. Diese bildeten dann den Ausgangspunkt für eine mehrräumige Gliederung. Es muß gleich bemerkt werden, daß der dreiteilige Grundriß vom Kammer- und Stalltyp in der böhmischen und slowakischen Bauernar­chitektur eine dominierende Stellung einnimmt. Die zwei­teiligen Häuser haben Pauperisierungscharakter. (Abb. 1) Die Grundform des dreiteiligen Grundrisses hat in den böhmischen Ländern (Böhmen, Mähren, Schlesien) und in der Slowakei symmetrischen Charakter: der Eingangs­flur nimmt den mittleren Teil des Hauses ein und an seinen Seiten liegt auf der einen Seite die Stube, auf der anderen ein Wirtschaftsraum (Kammer oder Stall). (Abb. 2, 3) Wenn wir die Entwicklung der wesentlichen Grund­rißtypen der zwei- und dreiteiligen Bauernhäuser auf dem Gebiet der Tschechoslowakei im weitergefassten ethno­graphischen Kontext verfolgen, stellen wir fest, daß wir für die ethnographische Parallelen im Großteil Mittel­europas vorfinden. Die Feststellung des Vorkommens elementarer Grund­rißformen des Hauses in rezenten Belegen bewog die For­scher, diese mit archäologischen Parallelen zu vergleichen und eine Rekonstruktion der Entwicklung des Hausgrund­risses unter Berücksichtigung der ethnischen Herkunft der einzelnen Grundrißtypen zu versuchen. Dies geschah insbesondere in der deutschen Hausforschung, auf die zahlreiche tschechische und slowakische Ethnographen und Archäologen reagierten. Wenn wir die bisherigen Ergebnisse der archäologischen Ausgrabungen slawischer Behausungen auf dem Gebiet der Tschechoslowakei einer Würdigung unterziehen, stellen wir fest, daß die älteste Form von einräumigen, fast quad­ratischen, eingetieften Wohnstätten (Abb. 4, 5) repräsen­tiert wird, die sich im ländlichen Milieu bis ins 15. Jahr­hundert hinein erhielten. Ein ähnliches Bild mit einräumi­gen unterirdischen Behausungen bieten die Funde aus anderen mitteleuropäischen, aber auch osteuropäischen und südosteuropäischen Regionen (Kudrnáő 1966, 197— 221). Zwei- und dreiteilige Häuser entstanden auf dem Territorium der Tschechoslowakei angefangen von der burgwallzeitlichen Epoche, jedoch — wie wir aufgrund des bisherigen Standes der archäologischen Forschung folgern können — lediglich als Behausungen der höheren Gesellschaftsschichten. Im ländlichen Milieu kommt als Übergangszeit ein Abschnitt vor, in dem es zum allmäh­lichen Untergang der einräumigen Behausungen und deren Ablösung durch zwei- und dreiteilige Häuser und deren mehrräumige Modifikationen, im Zeitraum des 13. — 15. Jahrhunderts, kam. Diese Lösungen waren auch für die mittelalterlichen Bürgerhäuser charakteristisch (Mencl 1953, 162). Für die angedeutete Entwicklung sprechen die Ergebnisse der archäologischen und kunsthistorischen For­schung auf dem Territorium der Tschechoslowakei und der Nachbarländer. Es erhebt sich die Frage, ob der zwei- und dreiteilige Grundriß im ländlichen Milieu selbständig entstand oder aus einem anderen, gesellschaftlich höherstehenden Milieu hierher gelangte. Es wurde die Hypothese geäußert, das dreiteilige Haus habe sich nicht als Bauernhaus, sondern als Behausung der höchstgestellten Personen der damaligen Gesellschaft entwickelt und sei erst weitaus später in das bäuerliche Milieu übergegangen (Pitterová 1965, 286). Unseres Erachtens entwickelten sich jedoch die elementaren Hausgrundrisse in den verschiedenen gesellschaftlichen und ethnischen Bedingungen, in den verschiedenen Zeitabschnit­ten selbständig, in Abhängigkeit von den Erfordernissen der jeweiligen Gesellschaft. Nur so können wir uns erklären, daß die Grundrisse der Häuser bereits am Beginn unserer Zeitrechnung in ganz Mitteleuropa ähnliche Formen auf­wiesen (Guan 1952, 174; Preidel 1966, 7—8, 97—98), 15

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