A Móra Ferenc Múzeum Évkönyve, 1966-67. 2. (Szeged, 1968)

Mesterházi Károly: Daten zur Struktur der Familien des gemeinen Volkes in der Landnahmezeit

gesehenen Frau folgten die Gräber weniger vornehmen jüngeren Frauen. Nur in einem Männergrab gab es Beigaben. In der Reihe befanden sich 13 Gräber, 5 Frau­engräber, das Grab eines Jugendlichen und 7 Männergräber. Die Reihe entspricht also regelrecht der drei Generationen einer Grossfamilie. Die übrigen Reihen (Gross­familien) waren mit Ausnahme der ersten alle aus dieser Reihe ableitbar. Somit kann der Friedhof von Nádudvar—Töröklaponyag für den Friedhof von blutsver­wandten Grossfamilien, d. h. für den Friedhof eines Dorfes angesehen werden. Das angesehenste Mitglied dieser Grossfamilien war immer eine Frau, dasselb lässt sich auch über die Kleinfamilien behaupten. Die Abstammung war über die Frauengräber hindurch zu beobachten. Darum haben wir dieses Familiensystem — weil ihm die Abstammung auf mütterlicher Linie zu Grunde lag — mit einer matrilinearen Grossfamilie identifiziert. Das Wesentliche an diesem ist, dass die Abstammung nur durch die Mutter in Evidenz gehalten wird, in der Familie bleiben immer die weiblichen Mitglieder der Familie zurück, während die Gatten aus anderen Grossfamilien zu ihren Ehefrauen zuziehen. Bei primitiven Völkern lebt bis auf heute diese Familienform, natürlich in mancherlei Abarten. Bei dem ungarischen Volk und anderen verwandten Völkern haben sich nur Spuren von dieser Familien­form erhalten. Bei sibirischen Völkern sind die Überreste des urzeitlichen Frauen- und Mutter­kultes im allgemeinen auch heute noch zu beobachten,. In dieser Hinsicht blieben die meisten Daten bei unseren nächsten Verwandten, den Obugriern erhalten. Der Urahn der beiden verwandtschaftlichen Fratrien der Obugrier sind zwei mythische Gestalten mit weiblicher Wesenheit, in der /?or-Fratrie ist z. B. eine Bärin das erste Weib, die für die Gründerin der weiblichen Abstammungslinie gilt. Es lebt bei ihnen auch ein Ausdruck in der Bedeutung „Sippengenossen vom mütterlichen Stamm", „mütterliche Ahnen" und auch die Blutrache für mütterliche Verwandten. Die Spuren der mütterlichen Grossfamilie sind auch in dem ungarischen volks­kundlichen Material nachweisbar. Solche sind z. B. die Traditionen der Einheiratung in die Familie der Gattin. Die Stellung des Eidams in der Familie der Eherfrau war oft knechtartig, einigemal war er gezwungen sich vertraglich zu schützen. Es wurde auch die Erscheinung beobachtet, dass der Gatte oder das Kind mit dem Tauf­namen oder dessen Koseform der Ehefrau oder der Mutter, aber auch der Gross­mutter, mitunter sogar mit dem der Urgrossmutter bezeichnet wurde; z. B. als Lina Pali, Lina Laji usw. {Lina = Koseform von Karolina). Bestimmte volkskundliche und sprachwissenschaftliche Daten sind in der ungarischen Sprache mit dem inneren Leben der Grossfamilie bzw. ihrer Struktur in Zusammenhang zu bringen. In dem Ausspruch „dein Glück, dass du mich als deine Grossmutter benannt hast" hat sich wahrscheinlich der Grad der Verehrung, das Ansehen der weiblichen Führerin der Grossfamilie bewahrt. Durch das Wort ük in unserer verwandtschaftlichen Terminologie wurde ursprünglich ein weiblicher Vorfahre in der vierten Generation bezeichnet. In unserer Sprache besass der männ­liche Vorfahr aus der vierten Generation eigentlich gar nicht einen besonderen Namen. Das Wort ük-ара ,Urgrossvater' ist das Ergebnis einer Entwicklung im XIX. Jahrhundert. Sprachwissenschaftlich wurde nachgewiesen, dass ein Teil der auf die Familie bezüglichen Wörter in mehreren finnischugischen Sprachen und so auch im Ungarischen aus solchen Wortzusammensetzungen hervorgegangen sind, bei denen sich das erste Glied auf ein weibliches Familienmitglied bezieht. Aus den Forschungen von Gyula László und Béla Szőke wissen wir, dass wir durch das in dem Friedhof von Nádudvar—Töröklaponyag zum Vorschein gekom­mene archäologische Denkmälermaterial in östlicher Richtung teils in die Awaren­116

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