Viga Gyula: Árucsere és migráció Észak-Magyarországon (Miskolc, 1990)
WARENAUSTAUSCH UND MIGRATION IN NORDOSTUNGARN (Auszug)
(Erntelieder, einige Bräuche in der Landwirtschaft, Betyarenüberlieferungen, einzelne Balladen, der Kult um Rákóczi, Sprichwörter und Fangfragen usw.) Die wahren Tiefen in der kulturellen Berührung spiegeln jedoch die sprachliche Berührung und die unterschiedlichen Schichten der Sprache benachbarter Völker wider. So hat das Wort kupec der ungarischen Sprache seinen Ursprung in dem slowakischen Wort für „Käufer", „Kunde", und es gibt auch in mehreren slawischen Sprachen Entsprechungen dafür. Das ungarische Wort kofa ist unbekannten Herkunft, jedoch stammen ähnliche Wörter in den benachbarten Sprachen aus dem Ungarischen. Slowakische Forscher haben im Wortschatz der Tuchhändler von Arva ungarische Wörter nachgewiesen, doch auch in anderen slowakischen Gegenden Hessen sich in der Umgangssprache die Wirkungen der Saisonarbeit nachweisen, die in der Grossen Ungarischen Tiefebene ausgeführt worden war. Andererseits kommen in der Umgangssprache in Nordungarn vielerorts slowakische Wirkungen zur Geltung (z.B. Namen für Trachtenstücke). Einzelne Ausdrücke in Bezug auf Erntearbeiten weisen auf Berührungen während der Wanderarbeiten hin, in der ostslowakischen und russinischen Umgangssprache hingegen lässt sich die Wirkung von Winzerarbeiten am Fusse des Tokajer Gebirges aufzeigen. In ähnlicher Weise bewahren einzelne Terminologien aus dem Fuhrwesen die Spuren von Berührungen zwischen dem Ungarischen, dem Slowakischen und dem Russinischen. Der Wortschatz zahlreicher Berufe verbreitete sich ebenfalls durch die Migration ihrer Sprecher. So nahmen die Terminologien der Bergleute, Steinmetze, Forstarbeiter, Köhler und Kalkbrenner im nordöstlichen Bereich des Karpatenbeckens allmählich „internationale" Formen an. Besonders wichtig und wohlbekannt war der Wortschatz, der sich mit den wandernden Hirten verbreitete. Daran lässt sich die Verbreitung polnischer, russinischer, slowakischer, mährisch-walachischer und ungarischer Hirtenterminologien abzeichnen. Dennoch stellte die Sprachschranke oftmals selbst bei einfachen wirtschaftlichen Berührungen ein unüberwindliches Hindernis dar, ganz zu schweigen von einem echten kulturellen Austausch. Aber dies setzte den Berührungen keinen Grenzstein, abgesehen von jenen Gebieten, wo eine scharfe Sprachgrenze zwei Volksgruppen voneinander trennt, und wo ausserdem auch noch natürliche Hindernisse hinzukommen. In den Gebieten mit gemischtem Ethnikum konnte es in der Zone der Sprachgrenze schon leicht vorkommen, dass auch der einfachste Bauer mehrere Sprachen kannte, und dass eine bedeutende Schicht von Vermittlern im Dienste des Warenaustausches stand, was wiederum eine grosse Rolle bei der Verbreitung einzelner Kulturelemente spielte. * Natürlich bedeuten die hier aufgezeichneten Abläufe des Warenaustausches und der verschiedenen Wanderungen einzig und allein ein Teilstück der herkömmlichen volkstümlichen Kuitur, ihr Vorhandensein ist nur ein - wenn auch nicht zu vernachlässigendes - Kapitel unserer Geschichte und unserer Lebensweise. Doch ihr sich in Zeit und Raum verändernder und gestaltender Charakter und ihre derartige Struktur sind ein charakteristisches Spiegelbild der Gesamtheit unserer traditionellen Lebensweise, und ihre feinen Tatsachen und Elemente bilden die Kettenglieder sehr ferner Verbindungen der herkömmlichen Kultur. Der volkstümliche Warenaustausch ist nicht von der Geschichte des Handels schlechthin zu trennen, obwohl er einen spezifischen und in vielen Beziehungen selbstrichtenden Teil seiner bildet. Im der Gesamtheit seiner Geschichte verfolgt er die Entwicklung der gesellschaftlichen und gebietsmässigen Arbeitsteilung, und verbunden damit die allmähliche Unabhängigwerdung des Menschen sowie in gewissem Sinne die Vervollkommnung einzelner Details seiner „Freiheit".