Népi építészet a Kárpát-medence északkeleti térségében (Miskolc, 1989)
Fodor István: Megjegyzések a középkori magyar lakóház fejlődéstörténetéhez
Anmerkungen zur Entwicklungsgeschichte des ungarischen Wohnhauses im Mittelalter In der neuere Fachliteratur zur ungarischen Volkskunde wird die Entwicklungsgeschichte des volkstümlichen ungarischen Wohnhauses im Mittelalter dahingehend beschrieben, dass in der Árpádenzeit (10-13. Jh.) die in den Boden vertieften Einraumhäuser charakteristisch waren. Später dann vom 14/15. Jahrhundert an herrschten die oberirdischen Mehrraumhäuser vor, deren Vorgänger die sog. Grubenhäuser waren. In der vorliegenden Arbeit habe ich alle Angaben zusammengefasst, die sich auf die Wohngebäude aus der Árpádenzeit beziehen, und zwar auf die oberirdischen ebenso wie auf die in den Boden vertieften mit oberirdischen Wänden. Zu ihrer Beschreibung habe ich auch die Ergebnisse herangezogen, die bei der Erforschung von Häusern in Mittel- und Osteuropa aus dem gleichen Zeitraum erlangt wurden. Es liefern nämlich immer mehr Angaben den Beweis, dass die derzeitige Entwicklung in der ungarischen Wohnkultur grob gesehen mit den Veränderungen zusammenfällt, die sich damals in den benachbarten Gebieten in Mittel- und Osteuropa vollzogen. Ich stelle hierdrei neue Hausfunde vor. Das Wohnhaus aus Tiszafüred (12. Jahrhundert) gehört zu dem am weitesten entwickelten Typ der Grubenhäuser: Sein Eingang befindet sich an der kürzesten Seite neben dem Herd. An dieser Seite wurde das Dach verlängert und somit ein absatzartiger Vorraum geschaffen (ung.: „ereszt", dt. etwa: Einlass), sodass dieses Haus als geteilt betrachtet werden kann (Abb. 1.). Wohnhäuser diesen Typs waren vp, 10/11. Jahrhundert an im nördlichen Teil Transdanubiens und auf der heutigen slowakischen Tiefebene anzutreffen. [KéméndKamenin (4. Abb.). Visegrád Nyitra, Tatabánya, Pilismarót, Helemba-Chlaba.] Zeigeteilte Grubenhäuser aus dem 12. Jahrhundert sind uns aus Kardosküt und Südosttranssyivanien bekannt. Bei dem Haus, das in Ószentiván entdeckt wurde und aus dem 12. Jahrhundert stammt, ist entlang den Mauern der Graben für die Plankenwand gut zu erkennen. Eben dieser entzündbaren Wand wegen wurde der Herd bis unter die Bodenebene eingesenkt (Abb. 211.). Eine entsprechende Parallele zu dieser Konstruktion ist aus dem Sowjet-Moldaugebiet bekannt (Abb. 2/2.). Das Haus aus Ószentiván hatte zweifelsohne auch eine oberirdische Plankenwand. In vielen Fällen mögen die halb in den Boden eingelassenen Häuser auch eine aufwärtssteigende Wand besessen haben. Ihre Grubenwände wurden mit Holz (Bretter oder Planken) ausgekleidet. Dies wurde von innen her von Streben gehalten. Eine Rekonstruktion dieser Häuser könnte anhand osteuropäischer Parallelen erfolgen (Abb. 5-6.). Das flachgrubige Haus aus Hajdúdorog (Abb. 3.) sowie die ihm ähnlichen Gebäude - wo es keine Spuren der das Dach tragenden Verstrebungen gibt - verfügten wahrscheinlich ebenfalls über eine aufwärtssteigende Wand (meistens wohl eine Plankenwand) (Abb. 6.). Es stehen uns auch sehr viele Angaben zu oberirdischen Häusern aus der Árpádenzeit mit den unterschiedlichsten Konstruktionen zur Verfügung. (Plankenwand, Strohlenwand, Wand mit Holzkonstruktion). Derartige Gebäude waren vor allem für Dörfer in Stadtnähe und an wichtigeren Verkehrswegen typisch, wie auch für Gutsbesitzerzentren und kleine Erdburgen. Ebenso Hessen sich auch der Besitzer des Dorfes oder der Dorfoberste Wohnhäuser aus Stein oder Ziegel bauen (Kardosküt, Tura). Ich bin der Meinung, dassfürdie ungarischen Dörfer der Árpádenzeit zwar die Grubenhäuser typisch waren, doch kam parallel hierzu vom 10. Jahrhundert an auch den Gebäuden mit verschiedenartigen oberirdischen oder aufwärtssteigenden Wänden eine wesentliche Rolle zu. Durch die Teilung des Wohnraumes und durch die Herausbildung eines Vorraumes („eresz") erschöpften sich zum 12. Jahrhundert hin die letzten Entwicklungsmöglichkeiten des einstigen Grubenhauses, und die Richtung einer weiteren Entwicklung wurde durch die oberirdischen Häuser, deren Rolle immer mehr zunahm, bestimmt. Daher müssen wir die Vorgänger für die vom 13/14. Jahrhundert an bekannten mehrgeteilten oberirdischen Wohnhäuser hierin und nicht in den einräumigen Grubenhäusern sehen. Das 13. Jahrhundert war die entscheidende Epoche, in der die Grubenhäuser immer stärker in den Hintergrund traten und dafür den oberirdischen Häusern Platz machten. Hinter dieser bedeutsamen Veränderung verbirgt sich ein sehr wichtiger Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft: Die Nutzung von Grund und Boden wurde festgelegt, der Familienprivatbesitz bildete sich heraus, die einheitliche Leibeigenenklasse und der Kleinadel mit Grundbesitz formierten sich.