Janus Pannonius Múzeum Évkönyve 40 (1995) (Pécs, 1996)
Művészettörténet - Kovács Orsolya: Népi elemek, folklorizálás a Zsolnay kerámiában
KOVÁCS ORSOLYA: NÉPI ELEMEK, FOLKLORIZÁLÁS A ZSOLNAY KERÁMIÁBAN 223 Volkstümlichkeit und Folklorisierung in den Zsolnay Keramiken Orsolya KOVÁCS Die in der Aufklärung wurzelnde Weltanschauung hat das Interesse an den Gegenständen der volkstümlichen Kultur bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts immer mehr verstärkt. In Ungarn wurde das künstlerische Niveau des Kunstgewerbes, das auch die industrielle Produktion geprägt hatte, mit der Absicht verknüpft., die Grundlagen der „nationalen" Kunst abzulegen. Das früheste Erscheinung dieser Bestrebung kann in den Zsolnay Keramiken beobachtet werden. In der frühen Periode der Zsolnay Fabrik, den beinahe 10 Jahren nach 1853 wurden in der von Ignác Zsolnay geleiteten Manufaktur außer Tonwaren, für Baudekoration geeigneten Terrakotten und glasierten Wasserleitungsröhren auch gewöhnliche Töpferwaren hergestellt. Aus dieser Periode wurde in der Sammlung des Janus Pannonius Museums ein Krug (Registriernr. 52.92) aufbewahrt, dessen Aufschrift am Hals „Es lebe der König!" lautet. In der Landesausstellung in Székesfehérvár 1879 hat die Zsolnay Fabrik mit den vervollständigten, „national" entwickelten Varianten von „hausgewerblichen" Formen und Dekors Aufsehen erregt. Das in Vilmos Zsolnay geweckte Interesse bezog sich teils auf die geschäftlichen Möglichkeiten, die sich im Hausgewerbe zeigten, teils deutete es auf seine künstlerische Verlegung hin, da er selbst Dekors in volkstümlichem Stil entworfen hatte. Er soll auch mit der Initiative für eine Sammlung von ethnographischen Gegenständen begonnen haben, die im späteren von seinen beiden Töchtern, Júlia und Teréz fortgesetzt worden war. Im allgemeinen kann festgestellt werden, daß der „Mohácser Krug", der ebenso aus Mohács stammende „türkische Krug" mit breitem Ausguß, bzw. der Siklóser Krug zu den beliebtesten Typen gehörten, die in der Produktion angewendet wurden. Sie sind, wenn auch nicht in ihrer Dekorierung, aber in ihrer Form bis zum zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts erhalten geblieben, ähnlich wie der Krug mit „Krone" und Askos. Letzteres weist auch Varianten mit Jugendstildekors auf. Die volkstümliche Formen weit war den Designern des Jungendstils auch deshalb nicht fremd, weil sie die ursprünglichen Motive von Anfang an sehr variabel verwendet hatten. Die Künstler der Zsolnay Fabrik begegneten nicht mehr der von ihnen als authentisch betrachteten, „uralten" Bauernkultur, sondern deren städtischen handgewerblichen Resten, bzw. einer solchen dörflichen Variante, die mit der Fabrikindustrie hoffnungslos zu konkurrieren versuchte. Völkische Formen, ungarische Dekors wurden sowohl für repräsentative- wie auch Gebrauchszwecke angefertigt. Nach bäuerlichen Vorbildern entstanden schwache Entwürfe in verschiedenen Kunstbereichen wie Kaffeeund Teesets, oder Vasen. Zu Beginn der 80er Jahre bildete sich eine andere Verwendungs-art von volkstümlichen Formen- und Dekorationselementen aus, die den Akzent von der Abstammung immer mehr auf den symbolischen Wert der Volkstümlichkeit versetzte. Als schönes Beispiel dafür gilt die Feldflasche, dieses von mittelalterlichen Pilgern verbreitete Tipu, das seinen Ursprung in der Antike hatte, und in Ungarn zum Symbol der Volkstümlichkeit und des Nationalcharakters wurde. Bereits in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts entwickelte sich in der Ornamentik ein als ungarisch angesehener Stil, der aus der Verwendung von „Herrenstickerei" und völkischer Dekorationskunst entstand. Die freie Interpretation des volkstümlichen Stils fand ihre Vervollkommnung in Tádé Sikorskis vielseitiger Tätigkeit. Durch die Verwendung von Anregungen aus der Volkskunst legte er am frühesten, bereits 1897 Formenentwürfe in Jugendstil vor. Die in der Fabrik der Jahrhundertwende tätigen Künstler, in erster Reihe Sándor Apáti Abt, entdeckten auch die konstruktiven Gestaltungsmöglichkeiten, die in der Volkskunst aufzufinden waren. Die funktionelle Reinheit der bäuerlichen Töpferei ermöglichte, daß um die Jahrhundertwende verschiedene, früher nicht hergestellte Gebrauchsgegenstände aus dem bäuerlichen Leben in der Produktion der Zsolnay Fabrik auftauchten. Außerdem wurden auch triviale Zierstücke mit volkstümlichem Charakter hergestellt, wie z.B. die Genreszenen von Mihály Kapás Nagy. Der letzte große Durchbruch der Volkstümlichkeit waren die von Géza Nikelszky entworfenen Beläge, Puffer bzw. Vasen im ungarischen Pavillon der Weltausstellung in Turin 1911. Sie zeigten eine sich herausbildende moderne Formenwelt, die wegen der unglücklichen politischen Umstände doch nicht entfaltet werden konnte.