Janus Pannonius Múzeum Évkönyve 40 (1995) (Pécs, 1996)

Művészettörténet - Sárkány József: Tihanyi Lajos (1885–1938)

184 A JANUS PANNONIUS MÚZEUM ÉVKÖNYVE 40 (1995) Lajos Tihanyi (1885-1938) József SÁRKÁNY Lajos Tihanyi war ein ausgezeichneter Vertreter der ungarischen Avantgarde Anfang des 20. Jahrhunderts. Er war einer der Künstler, die ihre revolutionären künstleri­schen Ideen mit der radikalen gesellschaftlichen Reform­bewegung verknüpften, die ihr Ziel in der Entstehung eines neuen Ungarns sahen, eines Landes, das nicht nur im geographischen Sinne, sondern auch durch seinen sozialen Charakter und Kultur zum Teil Europas werden kann. Tihanyis künstlerische Laufbahn hatte unter Nagybá­nyas Einfluß ihren Anfang genommen, nach seinem Aufenthalt in Paris (1907) hatte er sich aber nicht mehr nach der impressionistischen, naturalistischen Linie der Künstlerkolonie gerichtet, sondern immer mehr ließ sich die Wirkung der von jungen Künstlern (Czóbel, Csaba Vilmos Perlrott) entdeckten Kunstrichtung fauves, bzw. Cézanne spüren. Für sein ganzes Leben war der Kampf eines hartnäcki­gen, kompromißlosen Avantgarde-Künstlers charakteris­tisch. 1911 wurde er Gründermitglied der Künstlergruppe "Nyolcak" (Achter), später ein angesehener Teilnehmer der von Kassák arrivierten Aktivistenbewegung. Seine Gemäl­de sind von der Wirkung des Kubismus und Expressionis­mus geprägt, doch diese Synthese besteht auch auf die notwendige Treue zum Visuellen. Eine besondere Bedeu­tung tragen seine Portraits, die überwiegend über seine Künstlerkollegen gemalt worden sind, und auf denen Tihanyi auch die Charakterdarstellung der gemalten Personen beabsichtigt hatte. Diese Werke werden in der Fachliteratur mit Kokoschka verglichen, meiner Ansicht nach ist aber in den Werken des österreichischen Künstlers eher die Wirkung des Wiener Barocks bzw. des Jugend­stils dominant; dadurch wird deren malerischen Elementen eine ornamentale Rolle zugeteilt, im Gegenteil zu Tihanyis Werken, die eine kraftvoll ausge-drückte Struktur aufwei­sen. Tihanyis Kunst wurde von Ernő Kállai als konstruierter Naturalismus bezeichnet, auf den der Realismus des Konstruk-tivismus, die Psychologisierung des Expres­sionismus, die frühen Ergebnisse des Kubismus bzw. der Orfismus um die Jahrhundert-wende gleichzetig wirkten. Das Cezannesche Naturprinzip ermöglichte jedoch die grundsätzlich reine Anwendung des Letzteren nicht, aber Tihanyi nahm von seinen Formen die aufeinander ge­schichteten Flächen mit ihren scharf gebrochenen Linien, die selbständig existierenden, lebendigen Bögen über, um sie als Energiefelder auf der Fläche zerströmen, die Einheit der Bildoberfläche verwirklichen, und den Raum mit dem Gegenstand in derselben Struktur und Ornamentik vereini­gen zu lassen. Dieses System, wo realistische, konstrukti­ve, expressive Elemente mit der psychologisierenden Haltung vermischt werden, entsprach ausgezeichnet den Erwartungen der ungarischen Avantgarde, die dem Portrait gegenüber gestellt wurden. Ihre Korrelevation stellt ein international bedeutendes Ergebnis in der ungarischen Malerei dar. Nach der Niederlage der ungarischen Revolution in der Zwischen-kriegzeit lebte der größte Teil der radikalen Intelligenz - darunter auch die Künstler der Avantgarde ­im Exil. Nach mehrmonatigem Aufenthalt in Wien zog Tihanyi nach Berlin um. In der fremden Umgebung hat sich seine künstlerische Tätigkeit stufenweise umgestaltet. Er hatte zwar eine Serie von Zeichnungen über Dichter und Schriftsteller zusammengestellt, doch hat er sich in seinen Werken immer häufiger mit Stilleben, bzw. der Forschung von Gesetzmäßigkeiten in der Malerei beschäf­tigt. In Berlin erlebte Tihanyi das zwiespaltige Gefühl "alles Ganze hat sich zerbrochen", und Paris war zwischen 1924-1938 der Schauplatz seiner Bestrebungen, mit extremer Kraft eine neue Welt für sich und seine Kunst aufzubauen zu versuchen. Er lernte Gleizes kennen, auf dessen Wirkung immer mehr, für den späten Kubismus typische Lösungen in seinen Gemälden auftauchten. Er nahm zwar 1925 an der Ausstellung der Gruppe "L'art d'hui" teil, doch fühlte er sich jahrelang zu keinem Künstlerkreis richtig hingezogen. Er behauptete, Europa sei zu alt geworden, seine Kunst liege am Sterben. 1929 wanderte er in die USA aus, kehrte aber nach einigen Monaten enttäuscht nach Paris zurück. Die Reise, die Enttäuschung haben ihn verunsichert; sein Lebenswerk, das sich in der zweiten Hälfte der 20er Jahre konsequent entwickelt hatte, wurde bald von unglei­cher Qualität gekennzeichnet. Die häufigen Stilwechsel, die auf Überstürzt-heit hindeuten, ergaben besonders kräftige surrealistische Bilder. Die Themen dieser Bilder wurden stufenweise immer abstrakter dargestellt, wodurch dem Künstler in den 30er Jahren die Verwirklichung einer dekorativen ornamentalen Kunst auf hohem Niveau gelang. Als Mitglied von Abstraction-Creation und geistiger Partner von Arp, Klee, Braque und Max Ernst gehörte Tihanyi zu den wenigen Malern der um die Jahrhundert­wende entstandenen ungarischen Avantgarde, die ihren Prinzipien konsequent treu geblieben waren, und dadurch die Verbindung der ungarischen Kunst mit den modernen internationalen Bestrebungen gestärkt hatten.

Next

/
Thumbnails
Contents