Horváth Attila – Solymos Ede szerk.: Cumania 5. Ethnographia (Bács-Kiskun Megyei Múzeumok Közleményei, Kecskemét, 1978)

Gaál K.: Divat vagy népművészet

Dieser Umstand zog die Entwicklung und den Bau jener Windmühlen nach sich, die für das ganze zen­tralungarische Gebiet in dieser Zeit charakteristisch geworden sind. Müller und bäuerliche Zimmerleute, die bislang zu den Mittellosen gezählt hatten, konnten durch den massenhaften Bau und Betrieb von Wind­mühlen auf der sozialen Stufenleiter aufsteigen. In ihrer Gesamtheit betrachtet entstand eine bürgerlich­bäuerliche Gruppe mit Stadtsitz. Diese strebte bür­gerliche Lebensformen an, verfügte auch einigerma­ßen über Geld und konnte sich nun auch ,,Mode" leisten. In erster Linie wurden optisch wirkende Er­scheinungen von „oben" übernommen, der spezifi­schen Lebensform angepaßt und in modifizierter Form nach „unten",an die finanzschwächeren Schich­ten weitergegeben. Für Kiskunfélegyháza ist dies während des 19. Jahrhunderts für die Tracht und die Wohnkultur, aber auch für spezielle Modeartikel, beispielsweise die Zierkämme feststellbar. Kulturell entstand eine Situation, in der ein größerer Unter­schied zwischen der Jokai-Straße und der Daru-Gasse bestand, als zwischen der Jokai-Straße und den Vor­städten der Hauptstadt. Im Jahre 1949 wurde in. einem Grab in der Félegy­házaer-Puszta ein Kamm aus der Zeit um 1850 ge­funden. In seiner Grundform zwar „barock", war dieser jedoch nicht verziert, bzw. fehlten ihm die durchbrochenen Laubsägemuster (Abb. L). Diese Art der Kammverzierung ist meines Wissens nach auch in anderen Gegenden Ungarns erst nach der Mitte des 19. Jahrhunderts in Mode gekommen. Dies hängt mit der Haarmode der Frauen, aber auch mit der Entwicklung der bürgerlichen Tracht zusammen. Dort, wo die Frauen Hüte trugen, oder es ihnen die innere Gesetzlichkeit der Gemeinschaft erlaubte, ohne Kopfbedeckung aufzutreten, also in bürgerli­chen oder bäuerlich-bürgerlichen Kreisen, dort ver­breitete sich rasch der Zierkamm. Ein solcher Kamm galt als Schmuck : der aufgerollte Haarknoten wurde so mit ihm festgesteckt, daß der obere verzierte Teil des Kammes über dem Haar sichtbar blieb. Wann sich der erste Kamm-Macher in Kiskunfél­egyháza niedergelassen hat, ist bislang noch unbe­kannt. Sicher ist, daß vor 1870 keiner hier lebte. Der wahrscheinlich erste, ganz bestimmt aber letzte Zier­kamm-Macher in Kiskunfélegyháza war Ferenc Vá­ra di. Er ließ sich hier in jener wirtschaftliche Situa­tion nieder, als er mit einem sicheren Absatz seiner Erzeugnisse rechnen konnte. Wo er geboren wurde, von wo er zugezogen ist, das scheint nirgendwo auf. Auf Grund seiner eigenhändig verfaßten Arbeits­beschreibung können wir nur behaupten, daß er nicht deutsch sprechen konnte. Die von ihm angegebenen, verballhornten deutschen Gerätenamen beweisen im Gegenteil, daß er eine für dieses Handwerk allge­mein übliche Fachsprache verwendete, für die fremde Fachausdrücke charakteristisch waren. Zum ande­ren bedeutet dies, daß das Handwerk des Kamm-Ma­chers offenbar viel zu kurzlebig war, als daß sich eine von Fremdausdrücken gereinigte Fachsprache hätte entwickeln können. Als Váradi um 1870 nach Kis­kunfélegyháza kam, dürfte er eben seine Gesellen­jahre hinter sich gebracht haben, und so begann er­als junger Meister einen neuen Artikel für die hiesigen Frauen zu liefern : er war ein Modewaren-Erzeuger. Schon Károly Viski stellte fest, daß die Kamm­Macher-Produkte kaum in Beziehung zu den Llorn­arbeiten der Hirten zu setzen sind (MN. IL, 317). Durch seine historische Forschungsmethode konnte er belegen, daß in den Zierkämmen keine Kontinui­tät der erwähnten Hirtenkunst zu erblicken ist. Ver­gleichende Forschungen, die später in Wien durch­geführt wurden, bestätigen Viski heute voll und ganz. Während des 19. Jahrhunderts war die Wiener Modeartikelerzeugung weltbekannt, so auch für die diesbezügliche Schildpatt- und Hornbearbeitung. Wien war jedoch nicht der unmittelbare Ursprungs­ort für Art und modisch-künstlerische Gestaltung solcher Artikel. Vielmehr strömten in der Donau­metropole auf Grund ihrer Funktion, ihres wirt­schaftlichen und gesellschaftlichen Gefüges die ver­schiedensten Kultur- und im besonderen die Mo­deerscheinungen zusammen, um von hier aus wiede­rum in alle Windrichtungen verbreitet und vermittelt zu werden. Innerhalb der ehemaligen Monarchie waren es zunächst die großregional-städtischen Zentren, die „Wiener Mode" übernahmen bzw. nachahmten. Erst von dort aus fand fand der Wiener Modeartikel bzw. seine Art seine Verbreitung auf dem Land, allerdings zunächst nur bei jenen ländli­chen Sozialschichten, die auch das nötige Geld dazu hatten. Im Laufe dieser Wanderung, dieser kultu­rellen Fluktuation veränderten sich natürlich die Produkte bzw. ihre Ausarbeitung, ihre Verzierung etc. 204

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