Solymos Ede (szerk.): Studien zur europäischen Traditionellen Fischerei - Bajai dolgozatok 3. (Baja, 1976)

Gaál, Károly: Zum Geleit

über dem Ganzen den Vorzug, das heisst: untersuchen wir beispielsweise nur den Ackerbau, also die Bauernkultur, so wird unser Forschungsergeb­nis ein einseitiges sein. Die Folge davon ist, dass der ausschliesslich unter­suchte Teil der regionalen Kultur fälschlich und typisierend für die regio­nale Kultureinheit geltend gemacht wird. Die Volkskunde ist nicht nur Bauernkunde, auch wenn sie sich oft durch einseitige Forschungstätigkeit und daraus entwickelte Forschungsmethoden als solche ins Bewusstsein der Allgemeinheit eingeprägt hat. Zwar waren während der Geschichte der Volkskunde als selbständige Wissenschaft im­mer Bestrebungen zu bemerken, neben der Bauernkultur auch die Kulturen anderer Berufsgruppen zu untersuchen, doch waren sie selten von Erfolg gekrönt, weil ihnen infolge der historisch bedingten Vorprogrammierung der Volkskunde zu wenig Beachtung geschenkt wurden. Der vom 19. auf das 20. Jahrhundert vererbte „Bauern-Kult”, weiters die Tatsache, dass die Volkskunde im Grunde genommen fast überall in Europa eine „natio­nale” Wissenschaft geblieben ist, diese beiden Faktoren also zeichnen dafür verantwortlich, dass die volkskundliche Forschung es noch immer als ihre primäre Aufgabe zu betrachten scheint, nur jenes Element zu erfassen, das — mit Recht oder Unrecht — als Charakteristikum der Nation bedeutet. Die regionalkulturelle Einheit, das kulturelle Aufeinanderwirken der ver­schiedenen Erwerbsgruppen wurde bis heute im europäischen Raum noch kaum erfasst. Nolens volens sind die bisherigen Forschungen auf dem Gebiet der sogenannten Volkskultur grossteils einseitig und unhistorisch geblieben. Das oben geschilderte Missverhältnis zwischen den heutigen Anforderun­gen an die Volkskunde und deren tatsächliche Leistungen führte unsere Disziplin nach dem 2. Weltkrieg in eine Krise, die in ihrem innersten Wesen eine etwas verspätete Auseinandersetzung zwischen dem 19. und dem 20. Jahrhundert ist. Wenn uns heute die ehedem erstrebenswerten Forschungsziele der Volkskunde nicht mehr relevant erscheinen, so bedeu­tet dies nicht, dass wir alle bisherigen Leistungen umstürzlerisch hinweg­fegen und geringschätzen dürfen oder gar wollen, wie das der neuen, zeitgemässen volkskundlichen Richtung mitunter gerne vorgehalten wird. Die Inangriffnahme von volkskundlicher Grundlagenforschung mit de­mentsprechend neuen Methoden bedeutet vielmehr ein Aufholen von bisher Versäumtem, das aus heutiger Sicht so wichtig ist, wie es vorher unwichtig erschien. Ausserdem wird die volkskundliche Ausbildung derart an Umfang gewinnen müssen, dass sie, wie in anderen Wissenschaften längst als not­wendig erkannt, fachliche Spezialisierungen zulässt. Mit Polyhistor-Metho­den werden wir weiterhin das Auslangen nicht mehr finden. 10

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