H. Tóth Elvira - Horváth Attila: Kunbábony (Kecskemét, 1992)

VI. Die Lehren des Fundes von Kunbábony und seiner Parallelen für die awarenzeitliche Forschung

Funden infolge dieser künstlichen Polarisierung zur Mitte des 7. Jh. beinahe ein Hiatus entstand. Schon früher hatten wir den Versuch unternommen, auf diese Erscheinung aufmerksam zu machen,975 leider mit wenig Erfolg. Mit ähnlichem Ergebnis wurde von uns die Möglichkeit aufgeworfen, daß der Fund von Kunbábony nach 670 in die Erde gelangt sein könn­te,976 wobei wir auf den nachweisbaren Zusammen­hang zwischen ihm und den in die Früh- und Späta­warenzeit datierbaren Funden verwiesen. Dessen un­geachtet datiert man das Grab bestenfalls auf den der Mittelawarenzeit unmittelbar vorausgehenden Zeit­raum, auf die Mitte oder gerade in das erste Viertel des Jahrhunderts.977 Wenn man die Abbildungen zum Fundmaterial des Khagan-Grabes von Kunbábony flüchtig über­blättert, kann vielleicht die Ansicht, das der Fund unsere Kenntniße über den von der früheren For­schung auf das mittlere Drittel des 7. Jh. eingegrenz­ten Kreis von Böcsa-Perescepino nicht grundlegend erweitert, entstehen. Der überwiegende Teil des Fund­inventars des Grabes muß tatsächlich in diesem Zeitraum bzw. in der ersten Hälfte des 7. Jh. gefertigt worden sein. Neben seinem überdurchschnittlich rei­chen Charakter aber ist das große Positivum dieses Fundes im Verhältnis zu unseren früheren Fürsten­funden die im Vergleich zu diesen ärmlich, unbedeu­tend erscheinende kleine Gruppe von Gegenständen, die zum Teil auf die Art und Weise der Bestattung hindeuten. Deren Untersuchung wurde in dieser Auf­arbeitung nicht zufällig außerordentliche Aufmerk­samkeit gewidmet, haben sie doch einen erstrangi­gen Quellenwert hinsichtlich des Zeitpunkts der Be­stattung, also jenes Zeitpunktes, zu dem die Gegen­stände in die Erde gelangten. Verweisen möchten wir vor allem anderen auf den aus Silberblech gefertigten, Totenobolus (Kat. 74.) der eine Münze ersetzte und des Grabes, dessen Vor­kommen nach dem gegenwärtigen Stand unserer Forschung in das letzte Drittel des 7. Jh. anzusetzen ist (s. Anm. 103, 106). Sein Auftauchen im Kunbábo- nyer Fund und im Gräberfeld von Kunpeszér — dieses ausnahmsweise Vorkommen in Fundkomplexen mit­975. H. TÓTH: 1981 b, 31-32. 976. H. TÓTH: 1972, 156-158, 168. 977. CARAM: 1976, 144. BÓNA: 1984, 324. WERNER: 1986, 62. KISS: 1986, 119. In seiner Anmerkung zum zusammenfassenden Vortrag von István Bóna (BÓNA: 1988) lieferte P. Stadler ein auffälliges Beispiel der „mechanischen" Datierung. Aufgrund automati­scher Münzdatierung durch an einzelnen Exemplaren und im Fundkreis auftauchende Zahnschnittelemente verlege er sämtliche Goldpseudoschnallen in das letzte Drittel des 6 Jh. telawarischen Charakters - gestattet noch lange nicht die Beigabe von Metallblechen als Münzersatz als allgemeinen und zu jeder Zeit gehandhabten awarischen Brauch zu betrachten. Eher wäre anzu­nehmen, daß die für die mittelawarische Zeit charak­teristischen gegenständlichen Elemente auch in Komplexen frühawarischen Charakters auftauchen können.978 Um eine ähnliche Erscheinung handelt es sich beim Auftreten einer Zopfspange in einem Grä­berkomplex, der mit dem Fundgut des 2. Grabes von Kunbábony verwandt ist. Das Tragen dieses Schmucktypus' läßt sich ebenfalls mit der mittleren Awarenzeit verbinden. Noch näher aber berührt un­seren Fund das vereinzelte Auftauchen der für die Mittelawarenzeit charakteristischen Verzierungen an Köcheröffnungen mit Beinplattenbesatz in frühawari­schen Fundkomplexen sowie das Auftreten von Zier­rat des Böcsaer Typs an mittelawarenzeitlichen - Köchern mit Knochenverzierungen. An dieser Stelle soll angemerkt werden, daß die Pfeilspitzen des Gra­bes ausnahmslos einem kurzen, rhombusförmigen Typus mit schmalen Flügeln zuzuordnen sind, sich unter ihnen also keine der großen, gelappten, ge­schliffenen usw. frühawarischen Varianten fand. Im bereits zitierten Gräberfeld von Kunpeszér taucht innerhalb der Gräber frühawarischen Charak­ters das über dem Sarg errichtete Schutzdach auf, das für einzelne Gräberfelder sowohl der mittleren-, als auch der spätawarischen Zeit im Karpatenbecken kennzeichnend ist. Ebenso gelang es uns mit großer Wahrscheinlichkeit zu belegen, daß man den verstor­benen Fürsten auf einem mit vergoldeten Silberble­chen verzierten Ruhebett zu Grabe gelegt hat, an dem mittels Eisenbändern Tragestangen angebracht waren. In einheimischer Relation konnten wir diese Ruhebetten bisher nur bei spätawarischen Gräberfel­dern beobachten, während sich die Parallelen des vergoldeten Eisenbandes (Kat. 87.) ausschließlich in dem als mittelawarisch definierten Fund von Vörös­mart ausmachen ließen. Mit Ausnahme des Fundes von Kunágota kennen wir nur aus mittel- und spät­awarischen Fundkomplexen (Kiskőrös, Igar, Horto- bágy-Árkus) Parallelen für unsere zum Zwecke der Bestattung gefertigten Totenringe (Kat. 80. a-c). Die Maße letzterer deuten in gleicher Weis© auf ein und ordnete diese Gräber der Generation der awarischen Landnehmer zu. Das Grab von Kunbábony, seine Gegenstän­de und die Bestattung datierte er in die Jahre zwischen 560-620 bzw. hielt unter Beachtung des Lebensalters des Khagans dessen Einengung auch auf die Zeit Bajans für mög­lich (in: BÓNA 1988, 473-476). Bóna vermutet im Khagan von Kunbábony den Enkel oder Urenkel Bajans (BÓNA: 1988, 452). 978. BÓNA: 1988, 441. 217

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