Die Ungarischen Archive (Budapest, 2007)
KOMMUNALE ARCHIVE - Andor Lakatos: Überblick über die Archive der Katolischen Kirche
Das Schicksal der kirchlichen Archive hing natürlich mit den Veränderungen der Organisation der Kirche zusammen. Zur Beratung und Unterstützung der Arbeit der Bischöfe, die an der Spitze der von König Stephan I. gegründeten Diözesen stan- den, wurde das Amt der er- sten Domkapitel eingesetzt. Damit entstanden (und verän- derten sich bis heute nicht) die zwei Typen der katholischen Archive, die mit den Diözesen verbunden werden können: die Bischofs- und Kapitelarchive. (In den Erzdiözesen, die die Kirchenprovinzen führ- ten, sind Erzbischofs- und Domkapitelarchive zu finden.) Mit dem Ausbau der Organisation Das Sie 8 el des glaubwürdigen Ortes des Kapitels der Kirche entstanden die ver- ™пШос*а, 1739 (Archiv der Erzdiözese Kalocsa) schiedenen Klöster, die Mönchsorden nahmen auch in Ungarn einen Aufschwung. Dank dieser Entwicklungen erschien vom Ende des 12. Jhs. eine neue Funktion der Kapitel und gewisser Mönchskonvente, die Beurkundungstätigkeit (s. die glaubwür- digen Orte): Sie stellten verbürgte (d. h. auch bei Gerichtsverfahren beweiskräftige) Schriftstücke aus und bewahrten ihre Abschrift auf. Die glaubwürdigen Orte übten in Ungarn - einzig in Europa - auch notarielle Funktionen aus. (Sie ersetzten näm- lich die in Ungarn fehlenden Notare: Sie nahmen Besitzeinweisungen vor, setzten Erbschafts- und Besitzverhältnisse fest, trugen Kaufverträge ein.) Die auf diese Weise entstandenen Schriftstücke wurden dann getrennt und re- gistriert aufbewahrt. In der Mitte des 13. Jhs. wurden die glaubwürdigen Orte allge- mein, sie benutzten eigene Siegel, sie erstellten die Urkunden einerseits auf Gesuch von Privatklienten, andererseits stellten sie die beglaubigten Abschriften auf den Befehl des Hofes aus. Um die immer öfteren Urkundenausstellungen zu erleichtern, sind die ersten Formelbücher zur Unterstützung der angemessenen Benutzung des Lateins und für die Aktenverwaltung die ersten Registrierungen und Protokolle entstanden. 1240 wurde z.B. ein Urkundenbuch (chartularium) über die wichtigsten rechtssichernden Urkunden des Klosters St. Martin in Pannonhalma (Martinsberg) zusammengestellt. Der Band, der von seiner Farbe Liber ruber (d. h. rotes Buch) genannt wird, ist zurzeit