Die Ungarischen Archive (Budapest, 2007)
DAS UNGARISCHE STAATSARCHIV UND DIE STAATLICHEN FACHARCHIVE - Géza Érszegi - István G. Vass: Das Ungarischen Staatsarchiv
GÉZA ÉRSZEGI - ISTVÁN G. VASS DAS UNGARISCHE STAATSARCHIV D ie Anfänge der Geschichte des Ungarischen Staatsarchivs sind die der Schriftlichkeit. Die Ausfertigung von Urkunden verbreitete sich in Ungarn - zur Festsetzung neu entstandener oder früher erworbener Rechte - zur Zeit des Staatsgründers Stephan I. (des Heiligen) (1000-1038). Die ersten Urkunden wurden nach manchen umstrittenen Angaben in lateinischer Sprache und nach westlichen kaiserlichen Urkunden erstellt. Die schriftliche Geschäftsabwicklung spielt seit der Herrschaft des Königs Béla III. (1172-1196) mit der Entstehung der königlichen Kanzlei, des Instituts zur Ausstellung von königlichen Urkunden, eine größere Rolle. Im nächsten Jahrhundert gewannen die Beweisführung und die Erledigung verschiedener Angelegenheiten durch Urkunden auch im Prozessverfahren und in der Rechtssprechung immer mehr an Boden. Ab dem 14. Jh. wurden die Urkunden schon massenweise ausgestellt. Dies war neben der königlichen Kanzlei auch anderen wichtigen kirchlichen und weltlichen Einrichtungen Ungarns und deren Beamten zu verdanken. Die Schrift kann ihre rechtssichernde Funktion nur erfüllen, wenn sie festgehalten wird. Das Archiv des ungarischen mittelalterlichen Königreichs, das wahrscheinlich im Rahmen der oben erwähnten königlichen Kanzlei entstand, wurde durch diesen Anspruch ins Leben gerufen. Um die Aufbewahrung der Urkunden hat man sich gekümmert, trotzdem konnten die alten Schriftstücke dem Schicksal der Goldenen Bulle (1222) oft nicht entkommen. Obwohl die Goldene Bulle in sieben Exemplaren ausgefertigt und bei den damals sichersten Institutionen - wie dem König, dem Palatin, den Domkapiteln von Esztergom (Gran) und Kalocsa, den Kreuzritterorden und dem Tempelorden bzw. dem päpstlichen Registrum - unterbracht wurde, ist keins von ihren Erstausfertigungen erhalten geblieben, sondern nur ihre späteren beglaubigten Abschriften sind bekannt. Der erste Hinweis auf die konkrete Existenz des königlichen Archivs stammt aus dem Jahr 1240 aus der Zeit von Béla IV. (1235-1270), und seit der Anjou-Zeit sind bereits mehrere Erwähnungen vorhanden. Das königliche Archiv, das das zentrale Archiv des mittelalterlichen ungarischen Staates war, ist im Fluchtchaos nach der Schlacht bei Mohács (am 29. August 1526) verloren gegangen. Eine erhebliche Menge von Archivalien sind damals verschwunden, denn am mittelalterlichen ungarischen königlichen Hof wurden neben den Dokumenten bezüglich des Herrschers und der Lenkung des Staates - wie im ganzen Europa - auch die Archive anderer Einrichtungen des mittelalterlichen Staates aufbewahrt. Im königlichen Hof waren zwei Abteilungen der königlichen