Die Ungarischen Archive (Budapest, 2007)

DAS UNGARISCHE STAATSARCHIV UND DIE STAATLICHEN FACHARCHIVE - Géza Érszegi - István G. Vass: Das Ungarischen Staatsarchiv

aufbewahren. Diese Archive, die im Laufe des 16./17 Jahrhunderts oft schwierige Zeiten überstanden und die Veränderung oder das Aussterben einiger fürstlicher Familien bzw. die Zerstörungen durch feindliche Truppen erlitten, zerfielen mit Ausnahme von zwei Archiven, und ihr Material wurde zerstreut. Nur die Archive von zwei fürstlichen Familien - die der Familien Rákóczi und Avafi - sind mehr oder weniger erhalten geblieben und später in das Ungarische Staatsarchiv aufgenommen worden. Die Zentralverwaltung von Siebenbürgen, das unter habsburgische Herrschaft geriet, wurde am Anfang des 18. Jahrhunderts - nach der Vertreibung der Türken und der Auflösung des selbstständigen Fürstentums Siebenbürgen - der ungarischen Verwaltungsstruktur ähnlich, aber selbstständig von ihr organisiert. Die neu entstandenen siebenbürgischen Regierungsbehörden kümmerten sich selbst um die Aufbewahrung ihrer Registraturen. Nachdem die privaten Schriften der erwähnten siebenbürgischen glaubwürdigen Orte abgesondert wurden, kamen ihre Landes- und öffentlich-rechtlichen Akten gemäß dem GA XXIII/1882 ins Ungarische Staatsarchiv. Die früheren geheimen königlichen Archive, die Hofarchive usw. wandelten sich im Laufe des 18./19. Jhs. in Europa - nach einem langjährigen Prozess - aus den rechtssichernden Einrichtungen der Monarchen und der Stände in wissenschaftliche Institutionen um, die die Ansprüche eines breiteren Publikums und vor allem die der Geschichtswissenschaft vor Augen hatten. Die Neuorganisierung des ständischen Archivs des Landes ist 1874 in diese Entwicklungslinie einzuordnen. In diesem Jahr wurde nämlich nach einer langen Vorbereitung über die Vereinigung der Archive und Registraturen der (1848 aufgelösten) ungarischen und siebenbürgischen feudalen Regierungsbehörden und Gerichte mit dem Archiv des Landes entschieden. Diese Archivanstalt übernahm in den folgenden Jahrzehnten allmählich auch die Akten des Ministeriums von 1848/1849 und dann die der zentralen Regierungsbehörden, die in der Zeit des Absolutismus und des Provisoriums (1849-1867) tätig waren. Diese Arbeit wurde - abgesehen von einigen Ausnahmen - bis 1906 beendet. Obwohl 1874 keine Rechtsnorm über das Archivwesen und über die archivarischen Aufgaben verabschiedet wurde, unterschied sich das neuorganisierte königlich ungarische Landesarchiv als Staatsarchiv wesentlich von dem Archiv des Landes und von allen mit ihm vereinigten Altregistraturen und Amtsarchiven. Letztere übernahmen nämlich nur das amtliche Schriftgut ihrer Archivträger bzw. der Organe und Personen, die mit diesen in Verbindung standen. Zu dem Zuständigkeits- und Sammlungsbereich der 1874 gegründeten Institution gehörten dagegen von Anfang an die Amtsakten der Organe mit zentraler, landesweiter und regionaler Befugnis aller drei Gewalten - der Legislative, der Exekutive und der Rechtsprechung. Der auf diese Weise entstandene Sammlungsbereich wurde bis zum Zweiten Weltkrieg allein durch die Gründung des Militärgeschichtlichen Archivs (1918), d.h. durch die Entnahme

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