Levéltári Közlemények, 60. (1989)
Levéltári Közlemények, 60. (1989) 2. - FORRÁSKÖZLÉS - Hajdu Lajos: Bűnözés és büntetőbíráskodás Erdélyben (valamint a Partiumban) a jozefinista büntetőjogi reformok előtti években / 219–321. o.
320 Hajdú Lajos KRIMINALITÄT UND STRAFGERICHTSVERFAHREN IN SIEBENBÜRGEN (BZW. IN DEN PARTES) AM VORABEND DER JOSEPHINISCHEN JUSTIZREFORM Lajos Hajdu In Aufsatz werden drei Schwerpunktfragen der Strafjustiz Siebenbürgens der angehender 1780-er Jahre untersucht. Zuerst werden die quantitativen Dimensionen der Kriminalität, die Verhältnisse des Gefangniswesens und die Rechtsquellen der Urteilsfindung umfassend dargestellt. Der Verfasser stellt fest, dass die Grösse und die Zusammensetzung der Kriminalfälle ähnlich wie im Königreich Ungarn war, aber die Zustände im Gefängniswesen befanden sich auf viel niedrigerem Niveau und für die Urteilsfällung wurden drei Art der Rechtsquellen von den Gerichten verwendet. In den Urteilen, die von den Gerichten der sächsischen Nation gesprochen wurden, waren die Sächsischen Statuten, die Constitutio Criminalis Carolina und der theresianische Strafkodex die meisteiwähnten Rechtsnormen, aber in einigen seltenen Fällen berief man auch auf Carpzov oder auf die siebenbürgisehen Landesgesetze. Die Urteile der Gerichte der ungarischen Komitate und der Székler-Stühle basierten auf die grossen Gesetzsammlungen des 17. Jahrhunderts wie die Approbatae Constitutiones oder die Compilatae Constitutiones oder auf das Tripartitum von Werbőczy aus dem Jahre 1517; doch auch bei diesen Gerichten kam es vor, dass man in der Urteilsbegründung die Meinungen von Kitonich oder Peter Bod bzw. die Instruktion der Königlichen Tafel aus dem Jahre 1777 berücksichtigte. Als nächstes Themenbereich beschreibt der Verfasser die charakteristischen Merkmale des Strafverfahrens. In vielen Fällen konnte er das Fortleben der für die früheren Jahrhunderte charakteristischen volkstümlichen Rechtsgewohnheiten registrieren, wie z. B. in den Dörfern wird die Hausdurchsuchung von den sg. „Visitationsrichtern" vollzogen; die Wichtigkeit der Spurbefolgung blieb gültig — d. h. wenn ein Beschädigten sein gestohlenes Vieh ausfindig machte und sein Eigentumsrecht daran von sieben Zeugen eidlich bestätigt wurde, konnte es das Vieh wegtreiben (im siebenbürgisehen Recht als abjuration genannt). Für die Kriminalprozesse sind die grossen Verzögerungen im allgemeinen charakteristisch. Infolge der vielen möglichen Einwendungen, Restitutionsklagen und organisatorischen Unzulänglichkeiten vergangen sehr oft 3—4 Jahre von der Inhaftnahme bis zur Strafvollstreckung. Als dritter Fragenkomplex wird das Ermessen der einzelnen Straftaten in der siebenbürgisehen Gerichtspraxis dargestellt. Die Vieh- und Rinddiebstähle und die Einbrüche oder die ,,Hausaufbrechungen" machen die Mehrheit, fast die Hälfte der Eigentumsdelikte aus. Im Gerichtsverfahren legt man in den ersten Fällen auf die Bezeugung der Rechtsmässigkeit der Besitzer (evictio) grossen Wert, in den letzten Fällen werden besonders die Grösse der gestohlenen Werte Und der Zeitpunkt und die Umstände der Tathandlung berücksichtigt. Die Brandstiftung kommt zwar selten vor, aber viel öfter werden Strafsanktionen wegen der Drohung mit Brandstiftung gefällt. Wegen Betrugerei wird verhältnismässig auch selten prozessiert. Unter den Verbrechen gegen das Leben und die körperliche Unversehrtheit, die übrigens auf 17,9% der Strafprozesse belaufen, sind die Raubmorde und die Tötungen überwiegend und für die letzten Delikte wurden oft 6 — 8 Personen angeklagt. Vorsätzli- , che Totschläge sind selten, aber viel öfters kommen die im Raufhandel verübten fahrlässigen Tötungen vor, und in diesen Prozessen war es besonders schwer den Angeklagten des tödlichen Schlages oder Stiches zu überführen. In solchen Prozessen war die Beweisführung sehr oft archaisch und die Strafzumessung wurde von der ständischen Stellung des Angeklagten, von dem Verhalten des Geschädigten im grossen Masse und sehr verschiedenartig beeinflusst. Die Fälle des Kindermordes und die Körperverletzungsdelikt« waren in der siebenbürgisehen Gerichtspraxis ähnlich wie in Ungarn beurteilt. In den Prozessen, die wegen familienrechtlicher Angelegenheiten und Sittlichkeitsdelike eingeleitet wurden, wich die siebenbürgische Gerichtspraxis von der ungarischen insofern ab, das es in Siebenbürgen wegen Schändlichkeit (stuprum) nur selten Strafen erteilt wurden. Die meisten Verurteilten kamen wegen Ehebruches (adulterium) ins Gefängnis, und verhältsnismässig viele Urteile wurden wegen der Blutschande (incestus) gefällt. Aus den Auszügen der Bigamie-Prozesse war es zu erfahren, dass diegewohnheitsreehtliche Praxis, wonach die Eheleute einander „freistellen", also den Eheband ohne Mitwirkung der kirchlichen und staatlichen Organe auflösen, in vielen Landesteilen, besonders im Szeklerland noch wirksam war — und das haben im bestimmten Masse auch die Gerichte akzeptiert.