Grosse, Johannes dr.: Ignaz Philipp Semmelweis, der Entdecker der Ursache des Kindbett-Fiebers (Leipzig-Wien, 1898)

Erster theil. Die Wirksamkeit von Semmelweis in Wien

18 Nachdem Dr. Semmelweis durch einige Monate alle Ver­hältnisse in Erwägung zog, erkannte er in dem Umstande, dass sowohl er als die Studierenden sich häufig mit Leichenunter­suchungen beschäftigten, dass der cadaverose Geruch von den Händen trotz mehrmaligen Waschens erst nach langer Zeit ver­schwindet, und dass er und die Schüler nicht selten unmittelbar von der Untersuchung des Cadavers zur Untersuchung der ge­bärenden übergiengen, den einzig möglichen Weg der Ueber- tragung einer faulenden thierisclien Substanz auf die Geburts- theile der Wöchnerinnen. Die Aufgabe bestand darin, vor jeder Untersuchung der Gebärenden jedes cadaverose Atom von den Händen wegzu­schaffen. Zu diesem Zwecke habe Dr. Semmelweis gegen Ende Mai 1847 die Verfügung getroffen, dass jedermann vor jeder Untersuchung einer Schwangeren, Gebärenden oder Wöchnerin die Hände mit Chlorwasser waschen musste. Auf diese Anordnung erkrankten die Wöchnerinnen auf der für die Studierenden bestimmten Abtheilung plötzlich nicht zahlreicher, als auf der Abtheiluug für Hebammen. Das Jahr 1848 bot ein noch günstigeres Verhältnis. Im Jahre 1849 starben bis Anfang September auf der Abtheilung für Studierende 60, auf der Abtheilung für Hebammen 76 Wöchnerinnen. Somit zeigt sich vom Juni 1847 bis gegenwärtig fast keine Differenz in der Sterblichkeit auf den beiden Abtheilungen der Gebäranstalt, während früher durch einen Zeitraum von sieben Jahren die Sterblichkeit auf der Abtheilung für die Studierenden dreimal so gross war, als auf der Abtheilung für Hebammen. B. Ueber die Maassnahmen, welche nöfhig schienen, und die zum Theil jetzt noch nötiiig sind, um die Entdeckung des Dr. Semmelweis ausser Zweifel zu setzen, finde ich17) Folgendes zu berichten: Dr. Semmelweis hatte, nachdem durch einige Zeit die 1T) Vergl. Skoda im Sitzungsberichte über die Sitzung der mathe­matisch - naturwissenschaftlichen Klasse der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften vom 18. Oktober 1849, Seite 175 fl'.

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