Grosse, Johannes dr.: Ignaz Philipp Semmelweis, der Entdecker der Ursache des Kindbett-Fiebers (Leipzig-Wien, 1898)

Erster theil. Die Wirksamkeit von Semmelweis in Wien

14 Die unter Leitung des Prof. Klein befindliche erste Gebär­klinik, welcher ausschliesslich alle männlichen Schüler zugewiesen sind, hatte eine auffallend grosse Sterblichkeit gegen Professor Bartsch’s Schule, an der sämmtliche Hebammen den Unterricht erhalten. Die Gründe dieser höchst beunruhigenden Erscheinung konnten nie mit Sicherheit ermittelt werden. Das grosse Verdienst ihrer Entdeckung gebürt dem emeritierten Assistenten der ersten Gebärklinik, Dr. Sem­melweis. Von der Vermuthung geleitet, dass die zahlreichen Erkran­kungen und Todesfälle unter den Wöchnerinnen der ersten Gebär­klinik vielleicht zum grossen Theile in einer Einbringung von Leichengift durch das Touchieren der gleichzeitig in der Sections- kammer beschäftigten Studierenden und Geburtsärzte bedingt sein könnte, und dieses durch die bisher übliche Reinigung mit Seifen­wasser nicht mit vollkommener Sicherheit hintangehalten werde, Hess er im Mai des Jahres 1847 mit Zustimmung Professor Klein’s jeden die Gebäranstalt betretenden Arzt und Schüler vor jeder ersten Untersuchung einer Gebärenden oder Wöchnerin die Hände sorgfältig mit Chlorkalklösung reinigen und diese Reinigung nach jeder Untersuchung einer nur im geringsten Grade kranken Wöchnerin wiederholen. Die consequente Durchführung dieser Massregel hatte schon in den ersten Monaten überraschende Erfolge. Die Zahl der Todesfälle verminderte sich bereits im Jahre 1847 bei fast gleicher Anzahl der Geburten um 283 und sank von 11,4% auf ö'04%; im Verlauf vom Jahre 1848 aber, wo diese Reinigung durch alle Monate beharrlich und methodisch fortgesetzt wurde, stellte sich das Sterblichkeitsverhältnis dem auf der zweiten Gebärklinik gleich, ja zufällig noch um 01% günstiger.10) Dr. Haller erwähnt auch bereits in diesem Berichte, dass von Semmelweis directe Versuche an Thieren angestellt wurden und erklärt schliesslich Folgendes: „Die Bedeutung dieser Er­fahrung für die Gebäranstalten, für die Spitäler überhaupt, ins­besondere die chirurgischen Krankensäle, ist eine so unermess­15) Die Sterblichkeit betrug auf der ersten Klinik l'27u/0> auf der zweiten Klinik l’330/o.

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