Schürer, Fritz von Waldheim dr.: Ignaz Philipp Semmelweis (Wien-Leipzig, 1905)
1846-1850. Assistent in Wien. Entdeckung der Ursachen des Kindbettfeiebers. Erfolge und Verfolgungen. Dozent. Abreisen von Wien
26 Sektionen selbst aus. Und bezüglich des geburtshilflichen Unterrichtes hieß es im § 13: „Das Studiendirektorat wird Sorge tragen, daß der Professor der Entbindungskunst die Schüler und Schülerinnen nicht nur am Phantome, sondern, soviel es möglich ist, am Leichname von Frauen mit toten Kindern übe, was unendlich lehrreicher ist als die Übungen am Phantome”!! Boer sträubte sich gegen diese greulichen Übungen und wurde entlassen. Sein Nachfolger Klein gehorchte, und das „epidemische” Kindbettfieber war von nun aus der Anstalt nicht mehr zu bannen. Semmelweis hätte nun selbst zur Feder greifen und in einer Abhandlung seine Erfahrungen mitteilen, Hebra’s irrige Angaben richtigstellen und seine ganze Auffassung bekanntgeben sollen. Er hatte mehr zu sagen, als Hebra, der Dermatologe, darüber sagen konnte. Er mußte unter anderem den Fall mit der Kniegelenkscaries erörtern und seine Erklärung, Infektion der Wöchnerinnen — nur solcher — durch die mit Jaucheteilen geschwängerte Luft, darlegen. Die medizinische Welt erwartete auch allgemein, daß Semmelweis mit seiner Entdeckung und allen näheren Angaben nun selber vor die Öffentlichkeit treten werde. Er aber scheute das Schreiben, und nun gar gelehrte Publikationen! Er wählte andere Wege. Er beschränkte sich darauf, für seine Entdeckung mündlich, von Mann zu Mann, zu agitieren, und unter seinen Schülern fand er denn auch bald begeisterte Anhänger, die sich darauf freuten, in ihrer Heimat die neue Heilslehre zu verkünden, so der Engländer Dr. F. H. C. Routh, der Holländer Dr. Stendrichs, die Deutschen Kußmaul, Bronner und Schwarz. Routh nahm England auf sich, Stendrich schrieb an Professor C. B. Tilanus in Amsterdam; Schwarz an Professor Michaelis in Kiel, indem er Hebras Aufsatz beifügte; Dr. v. Arneth, der Assistent an der Wiener Hebammenklinik, an Professor Simpson in Edinburg, und Kußmaul übernahm es, den alten Naegele in Heidelberg für die Sache zu gewinnen. Professor Skoda, dem es bekannt war, daß auf der Prager Ärzteklinik die Seuche in gleich erschreckender Weise wütete, während sie auf der Hebammenklinik seltener Opfer forderte, schrieb an seinen Gönner und Freund Nadherny und bat ihn, seinen Einfluß als Präses der medizinischen Fakultät in Prag zugunsten der heilbringenden Lehre geltend zu machen, und dieser teilte Semmelweis’ Entdeckung zunächst dem medizinischen Lehrkörper mit, während er Skoda’s Brief an seinen Schwiegersohn sendete, Hofrat Kiwisch v. Rotterau, Professor der Geburtshilfe in Würzburg, der selbst ein großes Werk über Puerperalkrankheiten geschrieben hatte. Kiwisch eilte infolgedessen im Jahre 1848 und dann ein zweites Mal im Jahre 1849 nach Wien, um sich mit Semmelweis in der ihn hoch interessierenden Angelegenheit zu besprechen und dessen Prophylaxe durch persönliche Anschauung kennen zu lernen. Von Seite der kleinen Semmelweis-Gemeinde wurden noch andere Briefe an Vorstände in- und ausländischer Gebärhäuser gerichtet, aber