Schürer, Fritz von Waldheim dr.: Ignaz Philipp Semmelweis (Wien-Leipzig, 1905)

IU Vorwort. Semmelweis’ Hauptwerk, die „Ätiologie des Kindbettfiebers ”, er­schien im Jahre 1861 im Verlage von A. Hartleben. Das Buch ist seit Jahren vergriffen. Von dem jetzigen Besitzer der Verlagsbuch­handlung, Herrn Eugen Marx, auf diesen Umstand aufmerksam ge­macht, nahm ich Einsicht in das denkwürdige Werk und bemerkte zu meinem Bedauern, daß demselben zahlreiche Mängel anhaften. Es enthält eine Fülle interessanter Beobachtungen, Erklärungen, Erleb­nisse etc., doch in so unvorteilhafter Anordnung, daß das Ganze nicht unterrichtet, sondern verwirrt. Ein Leser unserer Zeit hat nicht mehr die Geduld, dergleichen zu studieren, weshalb ein Neudruck keinen Zweck hätte. Die Persönlichkeit des Mannes und sein Schicksal begann mich aber lebhaft zu beschäftigen; je mehr ich erfuhr, desto gewaltiger wuchs mir seine Bedeutung, und um so unerklärlicher dünkte mich die Nichtbeachtung seiner Verdienste. Baron Berger’s anziehende Semmel - weis-Novelle, welche gerade damals erschien, fand in mir den be­geistertsten Leser. Der kurze Hinweis, daß Hebra, Skoda und Roki­tansky Förderer des jungen Semmelweis gewesen, veranlaßte mich, mit der Ungeduld eines Schatzgräbers weiter zu forschen. Die größten Männer der Wiener medizinischen Schule hatten sich für Semmelweis eingesetzt, und dennoch war dieser gescheitert! Wie kam das? Hatte sich überhaupt schon jemand mit Semmelweis’ Leben und Wirken ab­gegeben? Medizinische Bücherkataloge meldeten nur von einer kurzen Lebensbeschreibung, der von Professor He gar, welche gar manches Rätselhafte verstehen lehrte und meine Neigung für Semmelweis nur erhöhte. Es war kein Zufall, daß zuerst ein Reichsdeutsc! er Semmel­weis zum Gegenstand einer biographisch-psychologischen Studie machte, denn im Deutschen Reiche wußte man seine Verdienste schon seit mehr denn dreißig Jahren zu würdigen, während in Österreich di" Erinnerung an sein glorreiches Wirken von seinen Gegnern und deren Schülern Jahrzehnte hindurch geflissentlich unterdrückt wurde, so daß ganze Generationen von Ärzten daselbst heranwuchsen, welche in den Vor­*

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